Im Früjahr 2012 hat der Schweizer Bundesrat die neuen Vorschriften für Elektrovelos beschlossen. Bedeutendste Neuerung ist die Zulassung von doppelt so starken Motoren in beiden Klassen: 500 statt wie bisher 250 Watt bei den »Leicht-Motorfahrrädern« (bis 25 Stundenkilometer) und 1.000 statt 500 Watt bei den »Übrigen Motorfahrrädern«.
Die meisten weiteren Änderungen betreffen auch diese schnelle Klasse, die neu auf 45 Stundenkilometer limitiert wird. Eine vernünftige Erleichterung ist die Zulassung von Kinderanhängern in dieser Klasse. Unbestritten ist die Helm- und Rückspiegelpflicht. Eher eine Schikane ist aber, dass Elektrotandems eigentlich nur noch zur Beförderung von Behinderten zugelassen sind. Kein Sinn ist hinter dem geforderten Mindest-Raddurchmesser von 0,5 Metern zu sehen (was ein 20-Zöller mit Ballonreifen gerade noch erfüllt). Schlicht praxisfremd und kaum überprüfbar ist schließlich die Regelung, dass schnelle E-Bikes auf Wegen mit Mofa-Verbot zugelassen sind, wenn die Fahrt mit abgeschaltetem Motor erfolgt.
In der langsamen Klasse gibt es nur zwei bemerkenswerte Neuerungen: positiv, dass sie künftig mit einer Schiebehilfe bis 20 Stundenkilometer ausgerüstet sein darf. Negativ, dass nun 14-bis 16-Jährige einen Mofaausweis brauchen.
Diese neue Schweizer Gesetzgebung ist deutlich liberaler als beispielsweise diejenige in Deutschland. Die für Europa einzigartige Zulassung starker Motoren hängt aber sicher nicht einfach mit den vielen Schweizer Bergen zusammen. Sondern eher mit der Pionierrolle, die Schweizer Marken innehatten: Dolphin und Flyer begründeten in den 1990er Jahren eigentlich die Schnelle Klasse; mit Stromer, Speedped und Tour de Suisse sind jüngst weitere wegweisende Produkte dazugekommen. Während die Schnellen in der Schweiz schon über 20 Prozent ausmachen, verharren sie in Deutschland im bescheidenen einstelligen Bereich.
Auch die ans sich flexiblen Schweizer Hersteller wurden aber einigermaßen überrascht, dass die Regeln mitten in der Saison geändert wurden, teilweise zum 1. Mai, teils zum 1. Juli. Thomas Binggeli von Stromer/BMC: »Für uns ist die kurze Frist eine Zumutung. Wir haben eine Leadtime von neun Monaten, um neue Motoren zu produzieren. Da ist es unmöglich, in vier bis sechs Wochen die nötigen Anpassungen zu machen.« Kurt Schär von Biketec: »Wir fühlten uns in den Prozess der Neuregelung zu wenig eingebunden. Zum Beispiel ist die neue 500-Watt-Grenze für langsame E-Bikes nie erwähnt worden; bis Inkrafttreten der Neuregelung konnten wir nicht zeitig ein solches Modell bereitstellen.«
Text/Foto: Peter Hummel