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Österreich-Verband: »Krise des Fahrradmarkts« entspricht nicht der Marktsituation
Der in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Strategieberatung Roland Berger Impex vom Pressedienst-Fahrrad GmbH (pdf) veröffentlichte Report über den Krisenmodus der europäischen Fahrradwirtschaft 2024 erscheint nicht nur den deutschen Fahrrad-Verbänden zu miesepetrig. Der deutsche Pessimismus hat jetzt auch die österreichische Fahrrad-Lobbygruppe ARGE Fahrrad und ihren Dachverband VSSÖ (Verband der Sportartikelerzeuger und Sportartikelhändler Österreichs) dazu bewogen, eine Stellungnahme zur aktuellen Situation des heimischen Fahrradmarkts kundzutun. Deren Credo: »Die `Krise des Fahrradmarkts´ auszurufen, entspricht nicht der Marktsituation.«
Nur ein Beispiel: Der Absatz von (E-)Gravelbikes konnte in Österreich im letzten Jahr (im Vergleich zu 2022) um 37 Prozent hochschalten.Foto: Scott/Daniel Geiger

Gleich zu Beginn ihrer Stellungnahme verweisen ARGE Fahrrad/VSSÖ noch einmal explizit darauf hin, dass die Fahrradindustrie in den (Corona-)Jahren 2020, 2021 und 2022 überdurchschnittlich viele Fahrräder an den österreichischen Sport- und Fahrradfachhandel verkauft hat. Der Absatz 2023 (in der Post-Corona-Zeit) konnte da nicht mithalten. Er rutschte wie erwartet herunter.
Was den Österreichern dabei aber wichtig ist, bitte nicht aus den Augen zu verlieren: der Absatz hat sich dem Niveau von 2019 (also der Vor-Corona-Zeit) angenähert.
O-Ton aus der Wiener VSSÖ-Zentrale: »Von der `Krise des Fahrradmarkts´ (z.B. in der aktuellen Roland Berger-Studie) zu sprechen, geben weder die Absatz- und Umsatzzahlen noch die Nachfrage im Handel her.«
Deshalb wollen ARGE Fahrrad/VSSÖ die aktuelle öffentliche Diskussion über den Fahrradmarkt in einen Kontext setzen.
Absatzzahlen nähern sich dem 2019er-Niveau
»Wenn Sie mich fragen, ob der Fahrradmarkt zusammenbricht, ist die Antwort ein klares Nein«, betont Thalinger Lange-Geschäftsführer Hans-Jürgen Schoder in seiner Rolle als ARGE Fahrrad-Sprecher, »wenn man einen detaillierten Blick auf die Zahlen wirft, erkennt man schnell, dass wir von drei Jahren der Überproduktion sprechen und der Markt sich jetzt wieder auf einem natürlicheren Niveau einpendelt.«
In den Corona-Jahren 2020 bis 2022 wurden in Österreich so viele Fahrräder verkauft wie noch nie. In dieser Zeit war der Markt mit durchschnittlich 498.000 Einheiten auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau: »Dieses überproportionale Wachstum ist insbesondere durch pandemiebedingte Nachholeffekte und verschobene Liefer- und Orderzyklen zu begründen.«
2023 rutschte der Fahrradverkauf in der Alpenrepublik auf rund 421.000 Einheiten herunter – und nähert sich damit nunmehr den Stückzahl-Verkäufen von 2019.
Der Verkaufsrückgang führte wiederum bei einigen Händlern zu höhere Lagerstands-Herausforderungen. »Das gilt aber nicht pauschal für alle Sport- und Fahrrad-Fachhändler:innen. Laut aktuellen Befragungen geben 40 Prozent der Händler:innen in Europa ihren Lagerstand für Fahrräder mit `normal´ an«, heißt es aus Wien. Dabei beruft man sich auf eine aktuelle Shimano-Befragung von über 450 Händler:innen in Europa im Zeitraum Januar bis August 2024.
Zukunftsbranche Fahrrad
Natürlich wird der Fahrradmarkt wie jede Handelsbranche derzeit auch mit der gesunkenen Kaufkraft konfrontiert. Dass das Interesse an Fahrrädern nicht darunter leidet und weiterhin vorhanden ist, sieht die Austria-Fahrradbranche zum Beispiel an der Nachfrage nach Dienstrad-Modellen und an der heimischen E-Mobilitätsförderung, die das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) gemeinsam mit dem Sport- und Fahrradfachhandel anbietet. 2024 wurden bisher 5.100 Anträge zur Förderung von (E-)Fahrrädern genehmigt.
Außerdem gibt es nach wie vor Fahrradtypen, die im Absatz stark wachsen. Als Beispiel nennen ARGE Fahrrad/VSSÖ für 2023 (im Vergleich zu 2022) unter anderem (E-)Falträder (8.027 Einheiten, plus 105 Prozent), E-Cargobikes (5.060 Einheiten, plus 39 Prozent), (E-)Gravel-Bikes (15.918, plus 37 Prozent) und Rennräder (12.377 Einheiten, plus 10 Prozent).
Schoder-Fazit: »Ja, es ist richtig, dass auch die Fahrradindustrie und der Sport- und Fahrradhandel von den steigenden Produktions- und Energiekosten sowie der sinkenden Nachfrage bei den Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund Rekordinflation betroffen sind. Die Erwartungshaltung, dass es mit den Wachstumszahlen aus den Jahren der Überproduktion 2020 bis 2022 weiter geht, ist aber einfach nicht realistisch und auch nicht abbildbar für den Markt. Die aktuelle Zuspitzung und den Alarmismus geben die Zahlen der letzten Jahre – und auch die Stimmung bei den Konsumentinnen und Konsumenten im Fahrradhandel – einfach nicht her. Den ‚Zusammenbruch des Fahrradmarkts‘ gibt es in dieser Form nicht.«

Text: Jo Beckendorff/ARGE Fahrrad/VSSÖ

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