2007 startete das Ehepaar Andreas und Astrid Kirschner mit der Manufaktur und seiner ersten Marke Falkenjagd. Andreas Kirschner hatte Titanrohrsätze bei Reynolds bestellt und angefangen, puristische Mountainbikes zu bauen. Die Wahl fiel bewusst auf Titan, weil es unter anderem weniger kratzanfällig ist als Stahl.
»Damals war ich gerade in der Endphase meiner Doktorarbeit«, schaut der Diplom-Wirtschaftsingenieur zurück: »Die Marke Rocky Mountain habe ich genauso wie Ritchey für ihre bis in kleinste Details durchdachten Produkte verehrt. Das war der Startschuss, Fahrräder mit langlebigen Titanrahmen nicht nur Freunden anzubieten, sondern damit in den Markt zu gehen. Wir waren die Ersten mit Steckachsen und einem Hydrounterrohr aus Titan.«
2011 wurde das Portfolio ergänzt um die Marke Rennstahl mit Stahlrahmen. Der Schwerpunkt beider Marken sind nach Kundenwunsch aufgebaute Reiseräder und Gravelbikes.
Produktionsverlagerung nach Taiwan
2018 wurde die Rahmenproduktion nach Taiwan verlegt. Dazu Kirschner: »Die angepeilte Qualität konnten wir in Deutschland nicht mehr umsetzen. Hinzu kam noch die lange Lieferzeit von einem Jahr.« Denn jene deutschen Unternehmen, die Titanrahmen nach Kirschners Vorgabe bauen konnten, hatten vorrangige Großkunden aus anderen Geschäftsfeldern.
Die erste Reise mit Kontaktaufnahme zu diversen Rahmenbauern in Taiwan war ein Erweckungserlebnis: »Die hatten richtig Ahnung, hörten genau zu und gingen auf unsere speziellen Anforderungen ein. Dabei behandelten sie uns ›kleinen Fisch‹ immer mit viel Freundlichkeit und Respekt.«
Also gründete Kirschner zusammen mit Ora Engineering, einem führenden Titanrahmenbauer in Taiwan, das in Taiwan ansässige Joint Venture Pacific Engineering für Werkzeug- und Rahmenbau. Seitdem hat sich die Lieferzeit reduziert auf »drei Monate, maximal ein halbes Jahr«. Derzeit kommt ungefähr jedes Quartal ein Container mit Titan- und Stahlrahmen am Firmensitz nördlich von München an.
Onlineshop, Stützpunkthändler und Bike24
Als das Thema Gravelbike aufkam, entschieden sich die Kirschners 2021, unter dem Markennamen Parapera Gravel- und Allroad-Modelle in Leichtbauweise mit Karbonrahmen anzubieten. Alle drei Marken werden sowohl über den eigenen Webshop als auch über einige Stützpunkthändler angeboten – vier in Deutschland, dazu je einer in Österreich, Griechenland und der Schweiz. Das konfigurierte Fahrrad wird an Einzelmontageplätzen in der Unternehmenszentrale aufgebaut. Dort kann man sich nach Anmeldung im Showroom umsehen und Fahrräder Probe fahren.
Hinzu kommt der Verkauf über Bike 24, der der einzige E-Commerce-Partner bleiben soll. So soll sich die Stückzahl weiter erhöhen, die 2022 erstmals über 2.000 lag.
Schwerpunkt Individualrad
Wer ist nun typischer Kirschner-Kunde? »Mit unserem Schwerpunkt auf unmotorisierte Fahrräder sprechen wir vor allem Endverbraucher an, die im Zeitalter der Wegwerfgesellschaft auf nachhaltige Materialien wie Titan und Stahl setzen und nicht unbedingt als sportliche Fahrrad-Nerds gelten. Sie wollen ein individuell aufgebautes und auf sie abgestimmtes Mobilitätsprodukt Marke eierlegende Wollmilchsau. Dafür sind sie auch bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen.« So beginnen die Verkaufspreise für ein Fahrrad der Marken Rennstahl und Parapera bei 4.000 Euro, bei Falkenjagd bei 6.000 Euro.
Über ihre Taiwan-Kontakte erfuhren die Kirschners von den Problemen der britischen Titan- und Stahlrahmenschmiede Stanton Bikes, verursacht durch Brexit, Pandemie und Lieferverzögerungen. Ende 2022 wurden alle Namens-, Design- und Vertriebsrechte von Stanton Bikes für den kompletten europäischen und US-amerikanischen Raum« übernommen. Unter dem Markennamen Stanton sollen auch puristische Mountainbike-Hardtails mit Stahlrahmen zu Preisen ab 2.500 Euro angeboten werden, womit das Gesamtportfolio nach unten abgerundet wird.
Familiäre Firmenentwicklung
Nach langer Suche konnte der Direktanbieter in Ismaning ein passendes Gebäude anmieten, wo alles vereint ist, inklusive Lager. Das 4.000 Quadratmeter große Grundstück mit zwei vierstöckigen Gebäuden mit jeweils 1.600 Quadratmetern bietet genügend Platz für weiteres Wachstum. Ende April bezogen die zehn Mitarbeiter ein Gebäude, in dem Administration, Vertrieb, Montage, Entwicklung, Testradcenter und Showroom untergebracht sind.
Die Umbenennung der Firma in 1bike4life Manufaktur GmbH hat zwei Gründe. Zum einen drückt Kirschner damit die Nachhaltigkeit seiner Marken aus: »Unsere Bikes haben kein Verfallsdatum.« Zum anderen hängt sie mit dem Nachrücken der Kirschner-Söhne Philipp und Christopher zusammen, die auch in die Geschäftsführung aufgenommen werden.
Text/Foto: Jo Beckendorff