Nach Zurückweisung des Bundesgerichtshofes (BGH) an das Oberlandesgericht München des Falles »Ortlieb I« im Jahr 2019 und der dort erfolgten Klageabweisung hat der für seine wasserdichten Packtaschen und Rucksäcke bekannte Produzent Ortlieb Sportartikel Gmb eine Nichtzulassungs-Beschwerde vor dem BGH eingelegt. Der Senat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 6. Dezember im Ortlieb I-Verfahren nun aufgehoben und die Sache zur erneuten Überprüfung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Seit 2001 betreibt der auf »Made in Germany« setzende Anbieter zur Sicherung des Qualitätsanspruches im Verkauf seiner Produkte ein selektives fachhandelsbasiertes Vertriebssystem. Um auch zukünftig eine möglichst faire Koexistenz zwischen Online-, Offline- und Multichannel-Händlern zu gewährleisten, wurde dieses Vertriebssystem 2019 aktualisiert.Im Gegensatz zum Fachhandel sehen die Heilbronner den Selektivvertrieb auf allgemeinen Marktplätzen wie Amazon im Gegensatz nicht gewährleistet. »Deshalb unterhält weder Ortlieb eine direkte Geschäftsbeziehung zu allgemeinen Marktplätzen noch ist autorisierten Fachhandelspartnern ein Verkauf der Produkte über diese Plattformen erlaubt«, heißt es aus der Firmenzentrale in Heilsbronn bei Nürnberg.
Ortlieb I- und Ortlieb II-Verfahren
Aber worum ging es nun genau bei besagtem Ortlieb I-Verfahren im Jahr 2019? Es beschäftigte sich mit der Anzeige von Fremdprodukten, die bei der Suche nach dem Begriff »Ortlieb« auf der Plattform Amazon auftauchten. Ein diesbezügliche ursprüngliche Klage wurde bereits 2014 von Ortlieb eingereicht. 2018 wurde Bereits letztinstanzlich vor dem BGH zu Gunsten von Ortlieb das Ortlieb II-Verfahren (Schaltung von Google-Ads durch Amazon mit der Verwendung des Markennamens Ortlieb) entschieden.
Aufhebung des Ortlieb I-Verfahrensurteils
Die nun erfolgte Aufhebung des Urteils des oben genannten Ortlieb I-Verfahrens kann durchaus als Teilerfolg gewertet werden. Dazu Ortlieb Sales Director Martin Esslinger: »So groß die Enttäuschung war, als das OLG München im zweiten Berufungsverfahren 2019 ein extra für dieses Verfahren im Auftrag des Markenverbandes e.V., der WALA Heilmittel GmbH, des VKE (Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse e. V.) und der Ortlieb Sportartikel GmbH durchgeführtes, unabhängiges Gutachten nicht berücksichtigt hatte. So groß ist jetzt die Freude, dass sich unsere Beharrlichkeit erneut ausgezahlt hat.«
Im Blickpunkt: P2B-VO
Das Gutachten untermauere die Ortlieb-Auffassung, dass »Endverbraucher von einem eindeutigen Suchergebnis auf Amazon ausgehen und größtenteils nicht annehmen, dass auch Produkte anderer Anbieter angezeigt werden«.
Zusammen mit der Tatsache, dass sich mit der P2B-Verordnung der EU-Kommission weitreichende Darlegungspflichten für Plattformen bezüglich des Zustandekommens von Suchergebnissen ergeben haben, sind die Heilbronner nun sehr zuversichtlich, dass das OLG letztendlich zu ihren Gunsten entscheiden wird.
Anmerkung des RadMarkts: besagte »Platform-to-Business«-Verordnung (kurz P2B-VO) gilt für Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, über die gewerbliche Plattformnutzer ihren Verbraucher-Kunden Produkte anbieten. Dabei ist unerheblich, ob ein Vertragsschluss über die Plattform selbst, über eine verlinkte Unternehmens-Website oder offline stattfindet.
Verbraucher- und Markenschutz
Gerade in der heutigen Zeit, in der Plattformen wie Amazon die Austauschbarkeit von Marken strategisch vorantreiben, ist laut Premium-Anbieter Ortlieb »Marken-Hoheit und die damit verbundene Marken-Identität wichtiger denn je«. Schon die Entscheidung des BGH im Ortlieb II-Verfahren lässt erkennen, dass der Bundesgerichtshof seine Sicht auf die notwendige Transparenz von Suchmaschinen neu justiert. So baut zum Beispiel ein gerade erst bekannt gewordenes BGH-Urteil vom 15. Oktober zur Marke Vorwerk in den Amazon-Ergebnislisten ausdrücklich auf der Ortlieb II-Entscheidung auf. Dort geht der Bundesgerichtshof sogar noch einen entscheidenden Schritt weiter: er führt Verbraucherschutz und Markenschutz zusammen.
Der BGH hält fest, dass die Herkunftsfunktion der Marke dann verletzt ist, wenn der angesprochene Besucher nur »markenreine« Ergebnislisten erwartet – und dann (ohne gesonderte Kenntlichmachung) Fremdprodukte ebenfalls angezeigt werden.
Genau darin zeigt sich nach Ansicht von Ortlieb eine neue »Lotsenfunktion« der Marke, die für einen funktionierenden Wettbewerb in der Digitalwirtschaft unerlässlich ist.
Text: Jo Beckendorff/Ortlieb, Foto: Ortlieb