Einige nennen sich heute E-Bike-Pionier – doch Michael Kutter war schlechthin DER Wegbereiter der europäischen Elektrovelobewegung. Man muss leider in Vergangenheit reden, weil der zurückhaltende Basler Ende April einem Krebsleiden erlag.
Michael Kutter stand schon in den Achtziger Jahren an vorderster Front des Elektro-Leichtfahrzeugbaus: Er gehörte zu den Vätern des verschalten Elektrodreirads Twike, das bei seiner Premiere im Jahr 1986 weltweite Beachtung fand. 1990 lancierte er den Prototypen des Dolphin, eines der allerersten Velos mit elektrischem Hilfsantrieb, der über die Pedalkraft des Fahrers und nicht über einen Gasgriff gesteuert wurde. Es war bereits mit dem von ihm entwickelten EVO-Getriebe ausgestattet, das seiner Zeit weit voraus war: Es erlaubte eine stufenlos veränderbare Übersetzung zwischen den Tretkurbeln und dem Hinterrad des Pedelecs.
Erfinder der »Schnellen Klasse«
Als erstes E-Bike überhaupt unterstützte der Dolphin bis zu einem Tempo von 45 km/h; Kutter erreichte bereits 1993 in der Schweiz die Zulassung von schnellen E-Bikes als eigene Fahrzeugkategorie. Allein, richtig profitieren konnten davon nur Mitbewerber wie Flyer. Schon damals schnitt der Dolphin in Tests zwar als eines der leistungsfähigsten E-Bikes ab. Allein, Kutter gelang es nicht, eine konstante Serienfertigung auf die Beine zu stellen; ein langjähriger loyaler Dolphin-Händler erinnert sich schmerzlich: »Praktisch jedes ausgelieferte Modell war ein neuer Prototyp…«
Stehaufmännchen bis zum Schluss
2004 schloss Dolphin mit der Firma swizzbee einen Lizenzvereinbarung ab, die aber keine namhafte Serienfertigung zeitigte. Ebenso wenig brachte 2008 ein Lizenzvertrag mit der führenden amerikanischen Marke Currie Technologies den Durchbruch. Ein ernsthafter verdeckter Mangel der in Deutschland produzierten Elektronik legte die ganze Produktion praktisch zwei Jahre lahm. Doch Stehaufmännchen Kutter liess sich nicht entmutigen: 2012 präsentierte er ein neues Damenmodell, das nicht nur gefällig aussah, sondern auch mit Batterien bestückt war, die trotz höherer Kapazität leichter waren. Leider glaubte die Bank nicht mehr an den Erfolg einer SwissMade-Fertigung und trieb die Firma durch Kündigung des Betriebskredites in den Konkurs.
Tragisch: Obwohl Kutter anerkanntermassen als der Vordenker der E-Bike-Industrie galt, konnte er kaum vom einsetzenden Boom der letzten 10 Jahre profitieren; insgesamt wurden kaum mehr als 1000 Stück Dolphins verkauft.
Obwohl Kutter fortan seine E-Bike-Visionen begraben musste, liess er sich mit seinem Einfallsreichtum nicht unterkriegen: Noch an der Eurobike 2014 wurde der Prototyp seines minimalistischen Leichtbau-Gepäckträgers holdOn mit einem Award ausgezeichnet.
Kutters Angehörige wollen Dolphin-Kunden demnächst über den Support für die zirkulierenden Dolphins informieren.
Text/Foto: Peter Hummel