Poison Bikes: Neuaufstellung per Schutzschirmverfahren
Bereits am 25. September hat die Geschäftsführung der »Custom Made in Germany« Fahrrad-Manufaktur Poison Bikes GmbH einen Antrag auf ein Schutzschirmverfahren eingereicht. Mit diesem vom Gesetzgeber auf die Restrukturierung von Unternehmen ausgelegten Verfahren will sich der Anbieter neu aufstellen und an neue Marktbedingungen anpassen. Während das zuständige Gericht in Mayen den Antrag auf ein Schutzschirmverfahren nach eingehender Prüfung der notwendigen Testate über die positiven Sanierungsaussichten stattgegeben hat, läuft der Geschäftsbetrieb des Unternehmens in Nickenich (ca. 25 Kilometer nordwestlich von Koblenz) mit seinen 20 Beschäftigten unverändert weiter.
Foto: Poison Bikes

Kurzer Rückblick: der geschäftsführende Poison Bikes-Gesellschafter Thomas Wiesel hatte das Unternehmen zum 1.1.2021 von Gründer Hans Werner Theisen übernommen. Heute bietet die Manufaktur neben dem eigenen Concept-Store am Standort Nickenich seine Bikes auch in einem Showroom in Wiesbaden sowie über bunderweit 90 ausgesuchte Fachhändler an. So erwirtschaftete das Poison Bikes-Team eigenen Angaben zufolge zuletzt mit seinen 20 Beschäftigten einen Jahresumsatz von knapp 3 Millionen Euro.
Knackpunkt Post Corona-Zeit
Allerdings kurbelte die angespannte Branchenlage auch nicht spurlos an dem Custom-Bikeanbieter vorbei. Laut Wiesel ist eine anstehende Sanierung notwendig, weil nach dem Ende der Corona-Pandemie weniger Bikes verkauft wurden. Zudem habe die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste folgende hohe Inflation zur Kaufzurückhaltung seitens der Konsumenten geführt. Folge: starke Umsatzrückgänge. Zudem boten daraufhin große Hersteller und Händler Überproduktionen mit starken Rabatten an.
»Da Poison Bikes als Custom-made-Manufaktur erst nach Kundenauftrag produziert, machte es wirtschaftlich keinen Sinn, diese Rabatte mitzugehen und verlor dadurch Kunden«, erklärt Wiesel. Selbst Fachhändler, die mit Poison Bikes zusammenarbeiten, verkauften vor allem Bestandsware und weniger individuell gefertigte Bikes. Auch hier ging es zuallererst darum, übergroße Warenüberhänge abzubauen.
Advantage Schutzschirmverfahren
Mit dem eingereichten Antrag auf ein Schutzschirmverfahren hat Poison Bikes laut Wiesel selbst – und bevor es zu spät ist – die Handbremse gezogen. So will man die Sanierung inklusive Suche nach einer Unternehmensbeteiligung seitens eines Investors selbst in der Hand halten.
Die Sanierung unter dem Schutzschirm stellt eine spezielle Variante des Insolvenzverfahrens dar. Wichtig zu wissen: wer im Vergleich zu einen Insolvenzverfahren einen Antrag auf ein Schutzschirmverfahren stellt, darf noch nicht zahlungsunfähig sein. Es verbindet die vorläufige Eigenverwaltung mit dem Ziel der frühzeitigen Vorlage eines Insolvenzplans. So soll die Sanierung von Unternehmen erleichtert werden.
Vorbild des seit 2012 als besondere Verfahrensart im deutschen Insolvenzrecht gültigen Schutzschirmverfahrens gilt das aus den USA stammende Chapter 11-Verfahren. Dieses zeichnet sich sowohl durch eine besonders große Flexibilität als auch der Aussetzung von Zwangsvollstreckungs-Maßnahmen aus.
Sanierungsplan und Neuaufstellung
Zum vorläufigen Sachwalter des eingereichten Schutzschirmverfahrens wurde Rechtsanwalt Jens Lieser von der Koblenzer Kanzlei Lieser Rechtsanwälte Partnerschaft mbB bestellt.
Poison Bikes selbst hat Prof. Dr. Jan Roth von der Sozietät Wellensiek Rechtsanwälte und Insolvenzverwalter Partnerschaftsgesellschaft mbB zum Generalhandlungs-Bevollmächtigten berufen. Der Restrukturierungsexperte begleitet die Geschäftsführung während des Verfahrens in der Eigenverwaltung. Momentan erarbeiten Poison Bikes-Geschäftsführung und Restrukturierer einen Sanierungsplan, mit dem sie das Unternehmen neu aufstellen und wieder in die schwarzen Zahlen bringen wollen.
»Wir fertigen weiter Bikes nach den individuellen Wünschen unserer Kunden. Das bleibt unser Kerngeschäft für alle Arten von Bikes«, versichert Wiesel, »auch werden wir keine Kompromisse bei der Qualität der Komponenten eingehen.« Allerdings müssten Kosten reduziert – und dafür vor allem Prozesse optimiert werden.
»Nach eingehender Prüfung der Situation haben wir für Poison Bikes einen Investorenprozess eingeleitet. Wir wollen so einen Partner finden, der das Unternehmen bei den kommenden Aufgaben unterstützt,« sagt Restrukturierungsexperte Roth. Kurz nach Schutzschirm-Antragsstellung habe es schon erste Interessensbekundungen potenzieller Investoren gegeben: »Das Interesse von Investoren zeigt, dass das Geschäftsmodell von Poison Bikes funktioniert und Zukunft hat.«
Was ebenfalls durchaus positiv stimmt: nach Expertenmeinung dürften die den Markt belastenden Warenlager-Überhänge im Laufe des nächsten Jahres abgetragen sein. Dann dürfte auch die Nachfrage nach individualisierten Custom-Bikes wieder richtig Fahrt aufnehmen.
Mehr zu Poison Bikes über www.poison-bikes.eu.

Text: Jo Beckendorff

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