Daher begrüßt die Vorreiterin in Sachen verantwortungsvoller Unternehmensführung und -Verantwortung (Stichwort ESD = »Environmental, Social and Corporate Governance«) das EU-Lieferkettengesetz. Allerdings wird das CSDDD von großen Teilen der deutschen Wirtschaft lautstark kritisiert (»zu teuer«) und abgelehnt.
Nachdem sich nun auch noch die FDP in ihrem Präsidiumsbeschluss vom 15. Januar trotz Mitgestaltung des Gesetzesentwurfs dagegen stellt und sich damit auch von der bisherigen Linie der regierenden Ampel-Koalition distanziert, wendet sich von Dewitz nun mit einem offenen Brief und der Bitte an Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundesregierung, für das Lieferkettengesetz einzutreten und der CSDDD letztendlich zuzustimmen.
Warum Antje von Dewitz und ihr Team davon überzeugt sind, dass das Lieferkettengesetz nicht nur notwendig und machbar, sondern auch ein Gewinn für den Wirtschaftsstandort Deutschland sein kann, erläutert sie in ihrem hier folgenden Offenen Brief:
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Minister*innen Lindner, Habeck, Heil, Lemke, Schulze und Buschmann,
sehr geehrter Herr Schmidt,
sehr geehrter Herr Dr. Meyer,
mit Entsetzen haben wir den Präsidiumsbeschluss der FDP vom 15. Januar zur Kenntnis genommen, in dem die FDP den sorgfältig ausgehandelten Entwurf zum Europäischen Lieferkettengesetz CSDDD nun ablehnt, nachdem die Bundesregierung die im Dezember gefundene Einigung zur CSDDD entscheidend mitgeprägt hat.
Daher wenden wir uns heute an Sie und die Bundesregierung, mit der Bitte, dem EU-Lieferkettengesetz CSDDD zuzustimmen und sich persönlich in diesem Sinne dafür einzusetzen.
Seit vielen Jahren setzen wir uns bei Vaude mit verschiedenen anderen Unternehmen für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein. Verantwortung für die gesamte Lieferkette muss verbindlich werden, um faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und unternehmerische Verantwortung als Standard zu etablieren. Verantwortungsvolles Wirtschaften bedeutet, Menschenrechte zu wahren und die Umwelt und das Klima zu schützen. Es ist eine Investition in ein zukunftsorientiertes, modernes Wirtschaften, das den Erfordernissen unserer Zeit und den Erwartungen der Konsument*innen entspricht. Es erfordert den Aufbau von hoher Professionalität, Erfahrung und Kompetenzen. Dieser notwendige professionelle Business-Ansatz des Lieferketten-Managements ist in vielen Unternehmen noch nicht ausgeprägt. Eine Ablehnung des ausgehandelten Entwurfs würde das fatale Signal in die Wirtschaft aussenden, dass eine Investition in den Aufbau dieser Kompetenzen nicht nötig ist. Das ist kein Schutz der Wirtschaft, sondern ein aktives Verhindern des Aufbaus von Zukunftsfähigkeit.
Mit der CSDDD erreichen wir faire Marktbedingungen für die Wirtschaft. Unternehmen, die sich, wie Vaude, freiwillig für Menschenrechte in der Lieferkette, Verbraucherschutz und Umwelt- und Klimaschutz engagieren, haben bisher finanzielle Wettbewerbsnachteile gegenüber Firmen, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Als Unternehmerin engagiere ich mich mit meinem gesamten Team seit vielen Jahren – auch zusammen mit anderen Unternehmen bzw. direkten Wettbewerbern – in unserer globalen Lieferkette. Gemeinsam haben wir es auch als mittelständisches Unternehmen mit 650 Mitarbeiter*innen geschafft, Fortschritte und Lösungen zu erreichen, die uns als Unternehmen gestärkt und zu unserem wirtschaftlichen Erfolg beigetragen haben. Unser Beispiel zeigt: Es ist möglich, Verantwortung in der Lieferkette zu übernehmen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Allerdings ist dies derzeit mangels gleicher Anforderungen an alle Marktteilnehmer mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen verbunden: Andere Unternehmen investieren in Marketing, wir stattdessen in Menschenrechte, Verbraucher- und Umweltschutz. Die Kosten dafür tragen wir als Unternehmen selbst und schmälern dadurch unsere Wirtschaftlichkeit.
Wir plädieren zudem für einen europäischen Rechtsrahmen, der gleiche Wettbewerbschancen in ganz Europa verbindlich vorschreibt. National unterschiedlichen Regelungen erhöhen für uns als deutsches Unternehmen die Komplexität und den Bürokratieaufwand wesentlich.
Natürlich befürworten auch wir stark die Anstrengungen zum Bürokratieabbau. Umso weniger bürokratische Hürden aufgestellt werden, desto einfacher ist es für Unternehmen, die Anforderungen aus der Gesetzgebung umzusetzen. Wir möchten an dieser Stelle aber betonen, dass die mit der CSDDD geplanten Vorgaben für Unternehmen in diesem Fall kein Selbstzweck, sondern erforderlich sind, um ein professionelles Management der Lieferketten betreiben zu können. Wir bei Vaude tun dies bereits seit 15 Jahren und haben es so gemeinsam mit unseren Partnern und Produzenten geschafft, Fortschritte und Lösungen zu erreichen.
Wir sind davon überzeugt, dass nur gesetzliche Standards mit einer hohen Verbindlichkeit für die Einhaltung von Menschenrechten, Verbraucherschutz sowie Umwelt-/Klimaschutz in der globalen Lieferkette sorgen können. Die im EU-Gesetz vorgesehenen politischen Rahmenbedingungen für Umwelt- und Sozialstandards sind richtig und wichtig und dürfen nicht weiter verwässert oder verzögert werden. Gesetzliche Standards bewirken, dass alle Unternehmen an einem Strang ziehen. Das bedeutet, dass wir als deutsche Wirtschaft insbesondere auch als Mittelstand mit unseren Maßnahmen in den Lieferketten eine große Hebelwirkung entfalten: Die Unternehmen können nicht nur wesentlich einfacher echte Entwicklungen in den Lieferketten voranbringen, sondern sich zudem Kosten, Aufwand und Risiken teilen.
Gerne stehen wir auch für weitere Gespräche bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Antje von Dewitz
Geschäftsführerin Vaude Sport GmbH & Co.KG
Vorstandsmitglied im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW)
Stellv. Vorsitzende des Kuratoriums der Deutschen Bundesstiftung Umwelt
Mitglied im Mittelstandsbeirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
Text: Jo Beckendorff/Vaude