Den gestrigen autofreien Tag (22. September) hat ein Verbandstrio noch einmal dazu genutzt, explizit auf das Potential von bis zu 45 km/h schnellen S-Pedelecs aufmerksam zu machen. Bis dato wird diese »S-Klasse« in Deutschland von der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgebremst: sie stuft diese Fahrzeuge als Kleinstkräfträder ein, die nur auf Straßen und nicht auf Rad-, Wald- oder Feldwegen gefahren werden dürfen.
Laut dem gestern vom ökologischen Verkehrsclub VCD, dem Bundesverband Zukunft Fahrrad e.V. (BVZF) und der Verbund Service und Fahrrad (VSF) veröffentlichten Hintergrund-Papier würden S-Pedelec den Mobilitätsmix sinnvoll ergänzen. Die größte Stärke dieser Fahrzeug-Klasse liege in ihrer Geschwindigkeit. Damit könnten sie auch auf längeren Strecken das Auto problemlos ersetzen.
Somit seien S-Pedelecs gerade für Pendler eine klima- und gesundheitsfreundliche Mobilitätsalternative, die auf der einen Seite Kraft, im Vergleich zum Auto auf der anderen Seite aber auch Kosten spart.
Studien zeigen, dass bislang nur 11 Prozent der Wege im Berufsverkehr mit dem Rad zurückgelegt werden – und das, obwohl 64 Prozent aller Pkw-Fahrtstrecken kürzer als 10 Kilometer sind. Aus Sicht oben genannter Verbände besteht hier ein großes ungenutztes Verlagerungspotenzial gerade auch bei Strecken, die länger als 10 Kilometer sind.
Dazu die VCD-Sprecherinn für Radverkehr und Mobilitätsbildung Anika Meenken: »Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, kommen wir nicht umhin, das Autoaufkommen drastisch zu reduzieren. Das Potenzial von S-Pedelecs wurde bislang vernachlässigt und das können und dürfen wir uns nicht länger leisten. S-Pedelecs sind eine sinnvolle und wirksame Ergänzung für einen klima- und gesundheitsfreundlichen Mobilitätsmix – sofern die Politik die passenden Rahmenbedingungen schafft.«
Dass S-Pedelecs in Deutschland noch keine attraktive Alternative sind, liegt vor allem an mangelnder Infrastruktur und komplizierten Regelungen. Laut StVO gelten sie als Kleinstkrafträder und dürfen deshalb nur auf Straßen gefahren werden. Da der Einsatz auf Rad, Wald- oder Feldwege untersagt ist, sei auch der direkte Weg von A nach B oft nicht möglich. So müssten zeitaufwendige Umwege eingeplant werden: »Dieses Verbot ist für die Verbände nicht nachvollziehbar. Denn die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit liegt auch bei S-Pedelecs nur bei rund 23 Stundenkilometern – das entspricht schnellem Radfahren ohne zusätzlichen Antrieb.«
»Das S-Pedelec kann für Pendler*innen auch für längere Strecken eine echte umweltfreundliche Konkurrenz zum PKW sein. Und es ist absolut verkehrstauglich: gedrosselt auf dem Radweg und voll ausgefahren auf der Straße kann man gut angepasst und ohne große Manöver im Verkehrsfluss mitschwimmen. Damit das S-Pedelecs noch attraktiver wird, muss die zu starre Autostraßen-Benutzungspflicht reformiert werden.«, erklärt der BVZF-Referent für politische Kommunikation Alexander Rosenthal.
Die Infrastruktur-Problematik spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider. Lediglich 1 Prozent aller verkauften E-Bikes in Deutschland sind S-Pedelecs. Zum Vergleich: in der S-Pedelec-freundlichen Schweiz sind es etwa 25 Prozent. Dabei überzeugen die Gefährte laut den Verbänden nicht nur mit ihrer Geschwindigkeit, sondern auch durch ihre Flächeneffizienz: da sie nur 10 Prozent der Stellplatz- und 20 Prozent der Verkehrsfläche eines Autos beanspruchen, entlasten sie das Verkehrsaufkommen maßgeblich.
»Wenn wir es schaffen, gemeinsam mit der Politik bessere Rahmenbedingungen für das S-Pedelec zu gestalten, können wir vielen Menschen – besonders Pendler*innen mit längeren Strecken – eine echte Alternative zum Auto anbieten. Im Ergebnis können wir Verkehrsströme entzerren, Flächen effizienter nutzen, unserer Gesundheit einen Gefallen tun und einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele im Verkehr leisten«, erklärt der Leiter des VSF-Hauptstadtbüros Jasper Berg.
Verbands-Fazit: »Um das Potenzial von S-Pedelecs für die Verkehrswende zu nutzen, braucht es aus Sicht des VCD, BVZF, VSF eine Erweiterung des Wegenetzes. Kommunen müssen die Entscheidungshoheit haben, geeignete Radwege sowie Fahrradstraßen und Radschnellwege´-Verbindungen für S-Pedelecs freizugeben.« Außerdem müsse mehr Aufklärung über Unterschiede zu normalen (E-)Fahrrädern betrieben werden, um aggressivem Verhalten oder riskanten Überholmanövern von Autofahrenden vorzubeugen. Nur wenn die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden, können möglichst viele klimafreundlich und sicher auch auf den schnellen Zweirädern unterwegs sein.«
Das Hintergrund-Papier der drei Verbände können Sie unter diesem Link einsehen.
Text: Jo Beckendorff/BVZF, Abb.: BVZF