So schnell kann sich das Rad drehen: Zum einen stellte Flyer gestern Morgen in einer Pressemitteilung noch das neue E-Enduro Uproc EVO:X vor. Und schon am Nachmittag erfolgte offenbar aufgrund einer Indiskretion, nachdem die Beschäftigten informiert worden waren, eine Ad-hoc-Medienmitteilung mit der Hiobsbotschaft der vorgesehenen Schließung.
Erst letzten Monat erklärte Flyer-CEO Andy Kessler noch in einem RadMarkt-Interview (zu lesen in der kommenden RM-Ausgabe 11/2024), dass die ZEG, seit 2017 Flyer-Eigentümer, längst zur Tat geschritten wäre, wenn der Standort Huttwil in Frage gestanden hätte: „Das Bekenntnis zu Swissness wird wohl noch wichtiger werden in einer Zeit, wo die Räder immer austauschbarer werden. Wir haben in den letzten Jahren etliche Millionen Franken investiert.“
Und weiter versicherte er sicherlich im guten Glauben: „Wir können unsere Produktelinie und Märkte völlig autonom entwickeln und sind administrativ unabhängig. Für die ZEG sind wir die Premiummarke und auch eine nicht ganz kleine Nummer: Wir steuern ein Siebtel zum Konzernergebnis bei.“
Anscheinend wurden in der ZEG-Zentrale aus der Halbierung des Absatzes binnen zwei Jahren auf noch 40.000 Räder andere Schlüsse gezogen als in Huttwil. Die ZEG schreibt zwar, dass am Standort Huttwil festgehalten werden soll. Es werde geprüft, die Verwaltung auf ein Minimum zu reduzieren, die Produktion außerhalb der Schweiz anzusiedeln und Synergien innerhalb der Gruppe zu nutzen.
In industrieller Logik käme für eine Flyer-Produktion am ehesten die neue Fabrik der ZEG-Tochter Kettler Alu-Rad in Sankt Ingbert in Frage. Dieser hochmoderne Standort mit seinem sehr effizienten Produktionslayout ist so strukturiert, dass er zusätzliche Kontingente stemmen könnte. Schon jetzt werden dort mehrere Marken aus dem ZEG-Portfolio ganz oder teilweise produziert.
Das würde aber bedeuten, dass durch die mehrheitliche Schließung des Werks im Emmental ein Großteil der rund 170 Mitarbeitenden entlassen würde; Insider sprechen von 155 Personen. Die Belegschaft kann im nun eröffneten Konsultationsverfahren Vorschläge einreichen. Die endgültige Entscheidung über die Restrukturierung will der Verwaltungsrat der Flyer AG erst nach Prüfung aller vorgeschlagenen Maßnahmen fällen. Nach dieser Ankündigung geht es aber wohl höchstens noch darum, ob der einschneidende Personalabbau etwas weniger rigide ausfällt.
Das Werk in Huttwil wurde vor 15 Jahren eröffnet und damals als modernste und nachhaltigste Fahrradfabrik Europas bezeichnet. Nun könnten dessen Tage gezählt sein. Bleibt zu hoffen, dass jene der im nächsten Jahr 30-jährigen Marke Flyer es nicht sind – es also gelingt, den Markenkern dieses E-Bike-Pioniers zu bewahren.
Text/Foto: Peter Hummel