Die Mystromer AG stellt sich neu auf: Mit weiteren Aktionären, neu besetztem Verwaltungsrat und vor allem frischem Kapital kann sie losgelöst von BMC in die Weiterentwicklung des »Digital Bike« investieren.
Ende 2011 wurde die überraschende Übernahme von Stromer durch BMC in der Schweizer Velobranche noch als Deal des Jahrzehnts gehandelt. Bereits 2014 wurde aber bekannt, dass Mehrheitseigner Andy Rihs für Stromer wenn nicht einen Käufer, so mindestens eine namhafte Beteiligung suchte: Zum einen wollte er aus Altersgründen sein Engagement zurückfahren; wie seine – zufällig – dieser Tage bekannt gewordene ernsthafte Erkrankung beweist, war dies ein kluger Entschluss zur rechten Zeit. Kommerziell gesehen waren aber auch die Synergien zwischen der Elektromarke mit ihrer urbanen Zielgruppe und der sehr sportiven BMC viel zu klein. Trotz des in jenem Jahr lancierten neuen Modells ST2, das in punkto Konnektivität wegweisend war, wurde es um die Verkaufsabsichten ruhiger.
Nun präsentiert Firmengründer Thomas »Thömu« Binggeli das lang erwartete, schließlich aber innerhalb drei Monate eingefädelte Resultat – zwar nicht mehr mit einem hochkarätigen Automobilhersteller, wie zu Beginn immer wieder mal kolportiert, dafür eine solide Schweizer Unternehmer/Investoren-Lösung. So fließt Stromer ein zweistelliger Millionenbetrag zu. Neben einigen Größen aus der Finanzbranche, die nicht genannt sein wollen, sind das namentlich Stefan Schwab, Mitinhaber einer Uhrenfederfabrik, welche viele renommierte Marken beliefert, und der Zürcher Ständerat Ruedi Noser mit seinen weltweit tätigen Software-Firmen der Noser Group. Für Thomas Binggeli ein idealer Partner: »Für die Weiterentwicklung unseres Digital Bike braucht Stromer heute viel eher IT- als Fahrrad-Know-how.« Rihs und Binggeli bleiben Hauptaktionäre.
Das frische Kapital ermöglicht Stromer die Weiterentwicklung der Plattform »Digital-Bike« – des ersten voll kommunikationsfähigen Stromers ST2 – voranzutreiben. Neue Modelle seien zwar noch nicht dieses Jahr zu erwarten, aber in der Pipeline. Dazu kann auch die internationale Expansion weiter ausgebaut werden; erst vor einem Monat wurde der Eintritt in den norwegischen Markt bekanntgegeben. Bereits jetzt mache der Export rund drei Viertel des Absatzes aus. Er sei in den letzten Jahren stetig um rund 20 Prozent gestiegen. Stückzahlen hat Stromer in den letzten Jahren nicht mehr kommuniziert, nachdem zuvor mehrmals unrealistische Zahlen in Umlauf kamen; Binggeli spricht nun auf Nachhaken von gut 10.000 Stromern, davon stolze 8.500 ST2, die letztes Jahr abgesetzt wurden. »Damit schreiben wir zwar noch keine schwarzen Zahlen, aber wir sind näher dran denn je…« Die 85 Mitarbeiter – hauptsächlich am Stammsitz, dem »Campus« in Oberwangen westlich von Bern – erzielten letztes Jahr einen Umsatz von 30 Millionen Schweizer Franken.
Text/Foto: Peter Hummel