Angst fressen Seele: Die aufgrund des Kriegs in der Ukraine weltweit ausgelösten Engpässe bei der Rohstoff- und Energieversorgung sowie steigende Rohstoffpreise haben direkte Auswirkungen auf die ersten drei Verkaufsquartale des laufenden Shimano-Geschäftsjahres 2021. Noch blieb die Nachfrage nach Fahrrädern und Angelgeräten stabil. Allerdings verweisen die Japaner in diesem herausfordernden Umfeld wie auch schon bei Vorlage ihrer Halbjahres-Zahlen 2022 auf ernstzunehmende Anzeichen einer Nachfrage-Abkühlung, die auch schon bald direkte negative Auswirkungen auf das Shimano-Geschäft haben werden.
Auch wenn Shimano Inc. in letzter Zeit und mit Blick in die Zukunft immer wieder durchaus berechtigt auf die Euphorie-Bremse tritt – die bisher vorlegten Zahlen sprechen (noch) eine ganz andere Sprache. So konnte der Nettoumsatz in den ersten drei Verkaufsquartalen (und im Vergleich zu 01-09/2021) um gute 18,3 Prozent auf 467,67 Milliarden Yen (3,19 Milliarden Euro) hochgefahren werden. Das Betriebsergebnis stieg um 18,3 Prozent auf 126,58 Milliarden Yen (864,50 Millionen Euro).
Unterschiedliche allgemeine Verkaufsregion-Entwicklung
Immer wieder verweist Shimano Inc. auf die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Probleme, die die Weltwirtschaft ins Stottern bringen. Inflationsängste hätten vor allem in Europa zu einer spürbaren Nachfrage-Abnahme seitens der Endverbraucher geführt. Wachsende Rezessions-Ängste würden für weitere Verunsicherungen sorgen. In den USA drückten die steigenden Preise zwar auf die Kaufkraft. Eine solide Beschäftigungslage und steigende Löhne hielten den privaten Verbrauch jedoch weiterhin hoch. In China entspannte sich die Lage nach Beendigung einiger drastischer Corona-Lockdowns insofern, dass der private Verbrauch von einer aufgeschobenen Nachfrage profitierte. In der Shimano-Heimat Japan sorgte der schwächelnde Yen zwar für Preisanstiege. Allerdings gab es nach ersten Lockerungen des Landes in Sachen (Corona-)Einreisebeschränkungen auch erste Anzeichen für eine allmähliche Erholung des privaten Verbrauchs.
Fahrradkomponenten wachsen weiter zweistellig
Das mit Abstand größte Shimano-Geschäftsfeld Fahrradkomponenten konnte im Vergleich zu den ersten neun Monaten des Vorjahres 2021 um 20,6 Prozent auf 384,65 Milliarden Yen (2,62 Milliarden Euro) gleich mehrere Gänge hochschalten. Das Betriebsergebnis lag mit seinen 109,12 Milliarden Yen (741,90 Millionen Euro) im Vergleich ebenfalls zweistellig mit 21,6 Prozent im Plus. Der genannte Fahrradkomponenten-Umsatz hält nun übrigens einen Anteil von satten 82,2 Prozent am Gesamtumsatz 01-09/2022 des Unternehmens in seinen Händen.
Zu den weiterhin guten Zahlen heißt es aus der Shimano-Zentrale in Sakai City: »Obwohl das starke Interesse an Fahrrädern Anzeichen einer Abkühlung zeigte, lag die Nachfrage nach Fahrrädern weiterhin über dem Niveau vor Covid-19. Was die Marktbestände an Komplett-Fahrrädern betrifft, blieben die Bestände an hochwertigen Fahrrädern aufgrund der anhaltend starken Nachfrage auf einem niedrigen Niveau. Die Bestände an Fahrrädern der Mittelpreis-Lagen näherten sich einem angemessenen Niveau. Die Bestände an Fahrrädern der Einstiegsklasse blieben allerdings auf einem hohen Niveau.«
In Europa habe sich die Nachfrage mit Ausnahme (allerdings nicht genauer benannten) Gebiete abgekühlt. Trotzdem blieb der Absatz von Fahrrädern und fahrradbezogenen Produkten stabil. Trotz eines Mangels an Produkten »insbesondere an E-Bikes und hochwertigen Rennrädern« näherten sich die Lagerbestände auf dem Markt einem angemessenen Niveau.
Dank weiterhin fester Nachfrage blieben die Marktvorräte hochwertiger Fahrräder in Nordamerika auf einem niedrigen Niveau. Allerdings hätten sich die Nachfrage nach Fahrrädern der Mittelpreislagen tendenziell abgekühlt.
Während sich die Verkäufe auf dem asiatischen sowie süd- und mittelamerikanischen Markt definitiv abkühlten, blieben die Lagerbestände in China dank weiterhin starkem Absatz auf einem niedrigen Niveau. In Japan sind zwar Sport-Fahrräder und E-Bikes weiterhin bestens gefragt. Allerdings sind die Komplettrad-Lagerbestände »mit Ausnahme der Rennräder der Einstiegsklasse« recht hoch.
Unter diesen Marktbedingungen war die Auftragslage für eine breite Palette von Produkten – darunter die neue Rennrad-Komplettgruppe Shimano 105 sowie sportliche E-Bike-Komponenten der »Shimano Steps«-Serie – laut Shimano »lebhaft«.
Angelausrüstung ebenfalls im Plus
Wie bei den Fahrradkomponenten spricht Shimano bei seiner Angelausrüstung auch von ersten Anzeichen einer Abkühlung. Was allerdings nichts daran ändert, dass der Nettoumsatz der ersten drei Verkaufsquartale im Vergleich zu 01-09/2021 um 9 Prozent auf 82,65 Milliarden Yen (565,01 Millionen Euro) hochkletterte. Das entspricht einem Anteil von 17,7 Prozent an Shimanos Gesamtumsatz der ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2022. Das Betriebsergebnis erhöhte sich um 1,7 Prozent auf 17,48 Milliarden Yen (115,75 Millionen Euro).
Sonstiges
Der dritte und letzte von Shimano bediente Geschäftsbereich »Sonstiges« (Teile für die Autoindustrie etc.) spielt mit seinen 357 Millionen (2,43 Millionen Euro) weiterhin eine im Vergleich untergeordnete Rolle, konnte allerdings mit Blick auf 01-09/2021 um 8,3 Prozent zulegen. Trotz dieses Anstiegs wurde damit ein Betriebsverlust von 24 Millionen Yen (0,16 Millionen Euro) eingefahren. Zum Vergleich: im Vorjahreszeitraum 01-09 war es noch ein Betriebsgewinn von 11 Millionen Yen (0,07 Millionen Euro).
Ausblick
Mit Blick auf die trotz düsteren (Zukunfts-)Aussichten vorgelegten guten Shimano-Zahlen haben die Japaner noch einmal ihre Geschäftsprognose für das Gesamtjahr 2022 revidiert – und zwar leicht nach oben. Dazu heißt es aus Sakai City: »Basierend auf der Erfassung von nicht-operativen Erträgen im Zusammenhang mit der Abwertung asiatischer Währungen, die durch die anhaltende Aufwertung des US-Dollars in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2022 verursacht wurde, und unter Berücksichtigung aktueller Trends, wie der raschen Abwertung des Yen und der steigenden Rohstoffpreise« gehe man nun von einem 1,7 Prozent höheren Netto-Gesamtumsatz in Höhe von 590 Milliarden Yen (4,02 Milliarden Euro – bisher: 580 Milliarden Yen = 3,95 Milliarden Euro) aus. Das Betriebsergebnis wurde um 1,6 Prozent auf 163,50 Milliarden Yen (1,12 Milliarden Euro) angehoben (bisher: 161 Milliarden Yen = 1,10 Milliarden Euro).
RadMarkt-Fazit: mit seinen diesjährigen oben aufgeführten Warnungen liegt Shimano sicherlich richtig. Die betreffen allerdings noch nicht das Geschäftsjahr 2022. Allerdings werden sie sich im Geschäftsjahr 2023 in den dann vorgelegten Zahlen spürbar bemerkbar machen. Für ein börsennotiertes Unternehmen ist es sicherlich ein kluger Schachzug, Aktionäre rechtzeitig und im Vorfeld auf bevorstehende Hürden aufmerksam zu machen, welche – komme was wolle – die Geschäftsentwicklung negativ beeinflussen werden.
Text: Jo Beckendorff/Shimano, Foto: Shimano