Kurzer Rückblick: die Insolvenzanträge beider SSU-Ableger sowie von SSU selbst erfolgten nach der am 16. Oktober 2023 bekanntgegebenen Entscheidung des SSU-Mehrheitseigners Signa Holding GmbH, die Zusage gegenüber der SSU N.V. über die Bereitstellung von 150 Millionen Euro an zusätzlichen Finanzierungsvolumen zurückzuziehen.
Aktueller Insolvenz-Überblick in Sachen SSU
Hier ein aktueller Überblick der Insolvenzen innerhalb der eingeknickten Signa Sports United (SSU-)Welt:
- Die Signa Sport United N.V. (SSU N.V.) ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in Berlin. Ihre Aktien waren seit 2021 an der New York Stock Exchange (NYSE) notiert und sind mit Wirkung zum 11. Oktober 2023 wieder de-listet worden. SSU N.V. hat kein operatives Geschäft und ist 100-prozentiger Gesellschafter der Signa Sports United GmbH (SSU GmbH). Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Dr. Christian Gerloff. Aufgrund einer Entscheidung zu einem Gruppengerichtsstand (§3 a Insolvenzordnung) ist das Verfahren beim Amtsgericht Bielefeld anhängig.
- Die Signa Sports United GmbH (aka SSU GmbH) mit Sitz in Berlin fungiert als Dach- und Servicegesellschaft für die operativen Gesellschaften der SSU-Gruppe. Bei ihr sind Zentralfunktionen wie IT, Human Resources und Finanzen angesiedelt. Die Gesellschaft hat circa 185 Beschäftigte. Die SSU GmbH hält direkt oder indirekt 100 Prozent der Anteile an der Tennis-Point GmbH, an der Internetstores GmbH sowie an diversen, insgesamt 31 unmittelbaren und mittelbaren In- und Auslandsgesellschaften. Zudem sind in dieser Gesellschaft sämtliche IT-Dienstleistungen der Gruppe zusammengefasst. Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Stefan Meyer. Auch dieses Verfahren wird aufgrund der Gruppen-Gerichtsstands-Entscheidung beim Amtsgericht Bielefeld geführt.
- Die Tennis-Point GmbH mit Sitz im ostwestfälischen Herzebrock-Clarholz und knapp 400 Beschäftigten vertreibt ein breites Sortiment an Produkten für den Tennissport und betreibt zu diesem Zweck diverse Onlineshops (u.a. www.tennis-point.de), 13 stationäre Geschäfte in Deutschland sowie über Tochtergesellschaften 20 weitere Stores im europäischen Ausland. Das Verfahren ist am Amtsgericht Bielefeld anhängig; vorläufiger Insolvenzverwalter ist Dr. Christian Gerloff.
- Die Internetstores GmbH mit Sitz in Stuttgart betreibt mit circa 470 Beschäftigten mehr als 32 Online-Fachshops für Fahrräder, Fahrrad-Zubehör, Sportartikel und Outdoor-Produkte (u.a. www.fahrrad.de). Darüber hinaus betreibt das Unternehmen stationäre Fahrradgeschäfte in Deutschland und Schweden. Das Amtsgericht Stuttgart hat Dr. Christian Gerloff zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
- Die Publikat GmbH mit Sitz in Großostheim ist eine Logistikgesellschaft der Gruppe, die ihre Leistungen im Wesentlichen für die ehemalige Gruppengesellschaft Outfitter GmbH (Anmerkung des RadMarkts: wurde kurz vor dem SSU-Blackout verkauft) und die Internetstores GmbH erbringt. Das Unternehmen beschäftigt ca. 300 Personen. Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Stefan Meyer; das Insolvenzverfahren wird über den Gruppengerichtsstand in Bielefeld geführt.
In den ersten Tagen nach Einreichung der jeweiligen Insolvenzanträge ging es vor allem darum, sowohl den Geschäftsbetrieb bei Tennis-Point und Internetstores als auch deren Mutter Signa Sports United GmbH und der Publikat GmbH zu stabilisieren und fortsetzen zu können. Dazu wurde eine Vielzahl von Gesprächen mit Lieferanten, Warenkreditversicherern, Dienstleistern, Gläubigern und Finanzgebern erfolgreich geführt.
Tennis-Point und Internetstores: Business as usual
Um den operativen Geschäftsbetrieb weiterzuführen und erste Schritte für Zukunftslösungen einzuleiten, konnten die vorläufigen Insolvenzverwaltungen laut eigenen Angaben bereits wichtige Maßnahmen umsetzen. Bei Tennis-Point und Internetstores konnte mit den vorläufigen Gläubigerausschüssen bereits eine Übereinkunft über das weitere Vorgehen erzielt werden. Die operativen Geschäfte beider Gesellschaften laufen weiter. Alle stationären Geschäfte bleiben geöffnet. Selbst Retouren von Waren und Reklamationen sowohl bei Altbestellungen (vor der Insolvenz) als auch bei Neugeschäften werden wie bisher verlässlich bearbeitet: »Die Teams beider Gesellschaften arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, den Kunden den gewohnt schnellen Service zu bieten, auch wenn es vereinzelt noch zu Verzögerungen bei der Abwicklung kommen kann.«
Mitarbeitende-Gehälter bis Ende 2023 gesichert
Zudem erhalten die Mitarbeitenden aller Gesellschaften mit einem Insolvenzverfahren für die Monate Oktober bis Dezember 2023 Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Die entsprechend notwendige Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes ist angestoßen und weit fortgeschritten.
Interessenten für Tennis-Point und Internetstores sprechen vor
Um tragfähige Zukunftslösungen für beide Gesellschaften unter neuer Eigentümerschaft zu erreichen, ist außerdem »in Absprache mit den jeweiligen vorläufigen Gläubigerausschüssen geplant, zeitnah strukturierte (separate) Investorenprozesse für Tennis-Point und für Internetstores aufzusetzen«.
Und weiter: »Die Insolvenzverfahren bei der SSU N.V. und der SSU GmbH hängen entscheidend vom Fortgang und den Ergebnissen dieser Investorenprozesse ab und sind somit mittelbar in die Investorenprozesse eingebunden. In den vergangenen Tagen haben sich bereits aktiv für beide Gesellschaften eine große Anzahl von Interessenten aus dem In- und Ausland gemeldet, die in die strukturierten Prozesse eingebunden werden. Eine Investorenlösung, die sowohl Aktivitäten von Tennis-Point als auch Internetstores einschließt, ist denkbar, wird derzeit aber nicht prioritär verfolgt.«
Dazu Insolvenzverwalter Dr. Christian Gerloff: »Tennis-Point und Internetstores verfügen in ihren jeweiligen Segmenten des Sportmarktes über eine international starke Marktposition und über einen treuen Kundenstamm. Auch die Teams beider Unternehmen sind hochmotiviert, ihre Kunden weiterhin den bestmöglichen Service zukommen zu lassen. Die durchaus stattliche Anzahl von Adressen, die bereits aktiv ihr Interesse bekundet haben, zeigt, dass die Chancen für gute Zukunftslösungen grundsätzlich gegeben sind.«
»Die Herauslösung wichtiger operativer Teile der Signa Sport United Group im Rahmen der Investorenprozesse ist vor dem Hintergrund der engen Einbindung in die Signa Unternehmensgruppe zweifellos eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe«, ergänzt Insolvenzverwalter Stefan Meyer, »umso wichtiger ist es, dass die einzelnen Insolvenzverfahren optimal koordiniert werden, um die beste Lösung für Gläubiger, Kunden und Beschäftigte zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier mit den motivierten Mitarbeitenden und dem Team von Gerloff Liebler gute Lösungen finden werden.«
Dienstleister SSU GmbH und Logistiker Publikat GmbH auf der Kippe?
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Während die Zukunft von Tennis-Point und Internetstores Group dank Interesse aus dem In-und Ausland an einer Übernahme gesichert scheint, stellt sich die Frage, wie es mit der Berliner SSU GmbH und dem Großostheimer Logistiker Publikat GmbH weitergehen wird.
Und Wiggle CRC?
Außerdem wird es interessant sein zu sehen, was mit der ebenfalls zu SSU gehörenden britischen E-Commerce-Fahrradhandelsgröße Wiggle CRC passiert. Die schlitterte am 27. Oktober ebenfalls in die Insolvenz.
Nationalen Gerüchten zufolge steht hier mit der Frasers Group plc auch schon ein heimischer Interessent in den vordersten Startlöchern. Die lenkt unter anderen den Sportfilialisten Sport Direct International und hat am 17. Oktober bereits den deutschen Omnichannel-Händler Sport Scheck von der Signa Retail Department Store Holding GmbH (Mehrheitseigner der SSU übernommen – siehe dazu auch RadMarkt-Meldung vom 18. Oktober.
Außerdem ist Sport Direct bereits im Fahrradgeschäft aktiv: 2018 wurde Evans Cycles übernommen. Evan Cycles soll wiederum laut Medienberichten in Großbritannien in diesem Jahr den 1998 gegründeten Landsmann und Online-Bikehändler ProBikeKit (kurz PBK) geschluckt haben. Der ist auch mit einer deutschen Seite im Markt (www.probikekit.de).
Text: Jo Beckendorff