In der Woche nach der Taipei Cycle Show 2014 (5.-8.3.) waren wie immer noch viele internationale Branchenteilnehmer in Taiwan auf Fabriktour. Die offizielle Eröffnungszeremonie des neu gebauten Asia Development Center (ADC) von US-Anbieter Sram in Taichung – hin und wieder bereits zum “Silicon Valley der internationalen Fahrrad-Industrie” geadelt – war dann aber doch mit seinen 250 Gästen eher ein rein taiwanesisches Get-Together…
Letzten Dienstag (11. März) traf sich das „Who is Who“ der Formosa-Fahrradindustrie – und zollte Sram-Chef Stan Day (Bildmitte) und seinem Team gebührenden Respekt für die Entscheidung, auch künftig auf Taiwan zu setzen. So freuten sich die VIP-Gastredner King Liu (Bild zweiter von rechts) – der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiernde Giant-Vorsitzende und schon zu Lebzeiten als nationale Fahrrad-Ikone verehrt – und Merida-Präsident Michael Tseng (Bild dritter von links) in seiner Rolle als Vorsitzender des A-Teams über die klare Ansage von Sram, auch künftig in Sachen Produktion auf Taiwan zu setzen. Das A-Team ist eine Allianz der hochwertigen Premium-Fahrrad– und Teileanbieter Formosas, die gemeinsam für ihre Interessen eintreten und zu deren Mitgliedern auch Sram gehört.
Bereits auf der Taipei Cycle Show hatte Stan Day klar Stellung bezogen. In einem Gespräch über die explodierende Fahrradproduktion in Kambodscha hatte der Sram-Chef bereits betont, dass sein Unternehmen weder in Kambodscha noch sonst wo eine Produktion aufziehen werde: „Wir sind und werden in Taiwan bleiben.“ Anders ausgedrückt: Der immer weiterziehenden Fahrrad– Produktionskarawane will Sram nicht folgen, sondern lieber auf Taiwan als bestehendes internationales R&D-Zentrum und Produktionsstandort der hochwertigen Fahrradproduktion setzen.
In seiner ADC-Eröffnungsrede blickte Day aber zuerst einmal schmunzelnd zurück: „Es war im Frühling 1988, als unser langjähriger Manager Mike Mercuri als allererster Sram-Mitarbeiter taiwanesischen Boden betrat. Er landete mit zwei Fahrrad-Kartons und kaufte sich ein Busticket nach Taichung. Der Bus war einer dieser halblegalen Transportmittel, die man damals glaube ich als ‚Chicken-Bus’ bezeichnete. Der Busfahrer schmiss ihn auf der Taichung Harbor Road heraus, wo ihm dann mit Händen und Füssen – aber immer mit einem Lächeln – weitergeholfen wurde. So landete Mercuri mit seinen zwei Fahrrad-Karton in Taichung in einem Hotel.“
Kurz darauf hat sich Day sich persönlich mit Meridas Michael Tseng getroffen: „Michael orderte Kaffee und Wasser. Nachdem uns beides gebracht wurde sagte er langsam aber bestimmt: ‚Der einzige Weg, daß wir Grib Shift Produkte kaufen, führt über eine Produktion in Taiwan’.“ Nach einer Kunstpause führte Day fort: „Ich bin dann nicht nach Hause geflogen, sondern geblieben und habe in Taiwan eine erste Fabrik eröffnet.“
Seitdem ist das hiesige Sram-Geschäft auf an die 2.000 Mitarbeiter angewachsen. Die arbeiten in den mittlerweile drei Sram-Fabriken in Taiwan. Das neu ADC hat 120 Techniker und Ingenieure unter sich: „Unser Geschäftsmodell ist einfach: Unser Produktdesign stammt von Ingenieuren, die selber radeln – und das in den Märkten in denen die Produkte konsumiert werden. Dann bringen wir deren Arbeit nach Taiwan, dem Zentrum der weltweiten Fahrradindustrie. Der Schlüssel zu unserem Erfolg ist die Umsetzung unseres us-amerikanischen und deutschen Produktdesigns in den Produktionsprozess. Das ist genau der Job von ADC.“
ADC war bereits 1997 mit drei Ingenieuren durchgestartet. Der neue und jetzt bezogene moderne Gebäudekomplex ist das dritte Zuhause von ADC. Laut Sram Sales-Director Asien Billy Yu kann das dreistöckige Gebäude jederzeit ausgebaut werden. Das schicke Interieur basiert auf der Corporate Identity des weltweit agierenden Komponentenanbieters aus Chicago. Es ist mit der Atmosphäre im letztjährig eröffneten European Development & Training Center (EBTC) in Schweinfurt gleichzusetzen. Unter anderem sind im ADC ein Material-Analyselabor, ein Ingenieur-Testlabor, die Sram Technical University (STU), eine Übungswerkstatt sowie eine Cafeteria untergekommen.
Text/Fotos: Jo Beckendorff