In der Zweirad-Branche ist der schillernde österreichische Unternehmer und Milliardär als Macher hinter der »Powered Two-Wheeler«-Industriegruppe Pierer Industrie AG bekannt. Deren mehrheitlich geführte Pierer Bajaj AG ist wiederum Mutter der Pierer Mobility AG (KTM Motorrad etc.) und deren Fahrrad-Tochter Pierer New Mobility (Marken Gas Gas Bicycles, Husqvarna E-Bicycles, Felt Bicycles, R Raymon).
In der letzten Woche haben sich die Leoni AG, die Mehrheit ihrer Finanzgläubiger und Stefan Pierer als strategischer Investor auf ein finanzielles Sanierungskonzept geeinigt, das die Nürnberger »im Ergebnis wesentlich entschuldet, mit frischer Liquidität ausstattet und die Finanzierung für die kommenden Jahre sicherstellt«.
Frühes Interesse
Schon früh hatte Stefan Pierer in Leoni investiert. Im April 2021 stärkte er erstmals seine Position im Unternehmen, dessen Hauptkundschaft die kriselnde Autoindustrie ist. Damals stockte er seinen Stimmrechtsanteile als Ankeraktionär auf über 15 Prozent auf. Seitdem redete er immer wieder ein Wörtchen mit.
Im Februar 2022 baute er seine Stimmrechtsanteile auf über 20 Prozent aus. Gleichzeitig stellte Pierer Industrie AG die Frage in den Raum, »ob die in jüngster Zeit von Pierer durchgeführten weiteren Erwerbe von Leoni-Aktien einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss nach den Bestimmungen der Fusionskontrollverordnung (FKVO) verwirklichen, bereits in Verbindung mit einem dafür eingerichteten Case-Team der Europäischen Kommission (als zuständige Wettbewerbsbehörde)«.
Pierer steht für Teilentschuldung und Liquidität
Diese Frage hat sich nun erübrigt. Das nun vorgelegte Sanierungskonzept betrifft ausschließlich die Leoni AG und nicht ihre Tochtergesellschaften, deren Lieferanten, Kunden und Mitarbeitende. Durch die Beiträge der Finanzgläubiger werden die Nürnberger um etwa die Hälfte ihrer Finanzverbindlichkeiten entlastet. Pierer scheint die Gläubigerbanken auf seine Seite gezogen zu haben, indem er ihnen sowohl einen imposanten Anteil von 45 Prozent aller künftigen Gewinne garantiert als auch knapp die Hälfte der Schulden übernimmt (die mittlerweile alles im allem bei 1,5 Milliarden Euro liegen sollen).
Des Weiteren ist ein Kapitalschnitt geplant, der aus einer Herabsetzung des bestehenden Grundkapitals auf null Euro (mit daraus folgendem De-listing von der Börse) und einer anschließenden Barkapital-Erhöhung in Höhe von 150 Millionen Euro durch die Ausgabe neuer Aktien besteht. Die Barkapital-Erhöhung wird allein von einer von Stefan Pierer neu zu gründenden Gesellschaft gezeichnet – wodurch diese auch zur Alleingesellschafterin der Leoni AG werden wird. Somit vergrößert sich auch das Pierer-Imperium. Verlierer des Kapitalschnitts sind die Aktionäre.
Künftiger Fokus auf das Nervensystem im Automobil: Bordnetze
Letztendlich wird die Leoni AG über eine signifikant gestärkte Liquidität für das operative Geschäft verfügen. Laut Unternehmensangaben reduzieren sich auch die Verbindlichkeiten gegenüber Banken und Schuldschein-Gläubigern der Leoni AG um 708 Millionen Euro (sprich ca. die Hälfte der oben genannten Gesamtschulden in Höhe von 1,5 Milliarden Euro).
Außerdem hat der Aufsichtsrat der Leoni AG letzte Woche Montag (3. April) Klaus Rinnerberger zum CEO gewählt. Er tritt die Nachfolge von Aldo Kamper an. Der hatte das Unternehmen zum 31. März auf eigenen Wunsch verlassen.
Text: Jo Beckendorff