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Stellungnahme von Ernst Brust, Velotech, zum Federgabeltest in Stern TV

Der Beitrag in Stern TV hat viele Reaktionen hervorgerufen. Ernst Brust, selbst Fahrradsachverständiger und Tester, hat einige Anmerkungen zum Testverfahren, die hier im folgenden wiedergegeben werden:

Stern TV am 05.06.2002

Eine „Sternstunde“ der Verbraucheraufklärung war die Präsentation des jüngsten Federgabeltests aus Aachen nicht. Testmethoden müssen „dem Stand von Wissenschaft und Technik“ entsprechen; hat der H. Professor seit Jahren gefordert und sich gern zum Schiedsrichter über andere erhoben. Und nun?

Er präsentierte einen einfachen Wechselbiegeversuch, der seit mehr als 25 Jahren in der Branche üblich ist und mit dem man simple Stahlgabeln für Holland- und Tourenräder überprüft hat. Etwas mehr Prüfkraft, etwas schneller bewegt und länger getestet. – Reicht das aus für Federgabeln?

Moderne Fahrräder sind komplexe Systeme. Sie unterscheiden sich vor allem durch ihren speziellen Gebrauchsnutzen, aber auch durch die zulässige Beladung und die Lebensdauer sprich Qualitätsstufe.

Die genaue Kenntnis der zu erwartenden Betriebslasten unter Einbeziehung des naheliegenden Fehlgebrauchs ist die Voraussetzung für sinnvolle sicherheitstechnische Überprüfungen eines Produktes.

Zusammen mit meinem Freund Dr. Eric Groß von der TH Hamburg Harburg habe ich deshalb bereits Mitte der 90er Jahre umfangreiche Betriebslastenermittlungen durchgeführt. Mountainbikes haben wir z. B. in Kaprun getestet. Das jährliche Bikertreffen bot reichlich Gelegenheit.
Die Radkräfte am Vorderrad haben wir über eine Spezialnabe ermittelt. Horizontale und vertikale Kräfte wurden synchron gemessen, die Resultierenden ergaben die Messpunkte. Im Bild (siehe Anlage 1) erkennt man den Aufbau.

In der Graphik ( siehe Anlage 2) sind die einzelnen Messpunkte eines MTB-Tests eingetragen. Die charakteristischen Verursachungen wie Normalfahrt, Sprung, Fahrbahnstoß und Bremsbelastung sind als Felder angedeutet.

Damit jeder das Messergebnis lesen kann, haben wir ein Fahrrad hinein skizziert. Von der Vorderradachse gehen die Kräfte aus. Einige Kraftpfeile deuten dies an. Die Gegenkraft erzeugt jeweils der Rahmen, in dessen Steuerkopf die Gabel eingespannt ist. Belastet wird also immer das System Gabel-Rahmen.

Der einfache DIN-Test ist mit seinen Kraftrichtungen ebenfalls eingezeichnet. Man erkennt sofort, dass er mit Federgabelbelastungen nichts zu tun hat. Die Verschärfung des DIN-Tests durch Professor von der Osten Sacken folgerichtig auch nicht.

Die Kraftpfeile unserer Messungen enden jeweils an einem Kreuzchen in der Graphik. Häufige Belastungen bei Normalfahrt führen zu einer Schwärzung des Bildes. Da, wo der H. Professor testet, gehen die Pfeile ins Leere. Kreuze an dieser Stelle entstehen nur, wenn man das Fahrrad an einem Pendel aufgehängt und mit dem Vorderrad gegen die Wand schlägt. Das haben wir nicht getan.

Aufgefallen ist uns außerdem, dass die Federgabeln ausgefedert getestet wurden. Das hat mir der Praxis nichts zu tun. Dass sie dabei auf dem Kopf standen ist unerheblich, denn das Federungssystem wurde sowieso nicht aktiviert.
Erstaunlich auch das Ergebnis:

Unter vier „Federgabeln“ wurde eine Starrgabel Testsieger, obwohl die Gabel von Point 50 % mehr Lastwechsel ertragen hatte. Der Preis war also ausschlaggebend für die sicherheitstechnische Bewertung.

Unsere eigenen Federgabeltests sind völlig anders aufgebaut. Diverse Fahrbahnanregungen, Bremsbelastungen etc. werden in gemischten Programmen aufgebracht. Geeicht werden unsere Prüfstände mit Messfahrrädern. Unsere Testergebnisse reproduzieren, was in der Praxis passiert. Auf diesem Wege werden wir weiterarbeiten.

Der durch Stern TV präsentierte „Stand von Wissenschaft und Technik“ bleibt anderen überlassen.

Etwas mehr Sorgfalt!

Euer Fahrradsachverständiger

Ernst Brust

Anlagen

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