Stiftung Warentest: Methodisches Problem

So sicher, wie im Frühjahr die Krokusse kommen, kommen auch die Fahrradtests der großen Testinstitutionen – und mit ihm der Methodenstreit. Der Trekkingradtest der Stiftung Warentest ist ein gutes Beispiel dafür.

Wieder einmal gibt es schlechte Bewertungen einzelner Produkte, wieder einmal kritisieren die Hersteller die Testkriterien, die sie für überzogen halten. Die meisten Abwertung gab es wegen Lenkerbruchs. Der Lenker brach bei Simplon nach 5.000 Kilometern, das verfrachtete das Rad der Österreicher vom ersten auf den letzten Platz – mangelhaft. Denn eigentlich hat das Spotlight X 7 nach Auffassung der Tester das beste Fahrverhalten. Andere Hersteller wurden nur auf »ausreichend« abgewertet, weil der Lenker »erst« nach 10.000 (Raleigh) oder 14.000 (Contoura, Kettler) simulierten Kilometern brach. Beim Stevens Randonneur brach die Gabel nach 14.000 Kilometern.

Die Firma Humpert lieferte die beanstandeten Lenker von Simplon, Kettler, Contoura und Raleigh. Dazu Prokurist Jens Stahlschmidt zum RadMarkt: »Wir haben nachgetestet, die Testmaschinen liefen das ganze Wochenende. Am Sonntag Abend habe ich den Herstellern die Information gemailt: Die Lenkermodelle haben den Test bestanden.« Und zwar den nach DIN EN. Die Stiftung Warentest hatte die Anforderungen aber höher angesetzt, mit den genannten Konsequenzen. Stahlschmidt hält das für fragwürdig; bei Trekkingrädern reiche die Europa-Norm aus. Außerdem hält es Stahlschmidt für möglich, dass die Schrauben beim Test zwischenzeitlich nicht oder nicht korrekt nachgezogen wurden.

Hartje argumentiert in die gleiche Richtung: Der beim Contoura eingesetzte Lenker sei in der Praxis noch nicht gebrochen. Das Testresultat werde man dennoch zum Anlass nehmen, die aktuelle Charge nochmals nach EN-Norm zu überprüfen.

Hartje stört sich auch an der Bewertung der Fahreigenschaften. Das Contoura »Parma« erhielt im Testkriterium »Fahren auf befestigten Wegen« nur ein »ausreichend«, für das »Fahren mit Gepäck/hinten ca. 8 kg« hingegen ein »sehr gut«. Letzteres entspreche dem, was Hartje von Händlern und Endverbrauchern höre, auch andere Zeitschriftentests bestätigten dies. Auch die »befriedigende« Verarbeitung kann man nicht nachvollziehen.

Simplon ist ebenfalls Humpert-Kunde. Der »Citybügel Exklusiv Nr. 16306« wird mit einem Simplon-eigenen Logo bedruckt. Und wird seit 2002 verbaut. Er sei nach einer Breitenänderung auf 640 Millimeter im Jahr 2007 erneut mit Erfolg geprüft worden – durch Velotech in Schweinfurt nach der DIN EN 14764. Bei insgesamt 10.000 verbauten Exemplaren sei nur ein einziges Versagen bekannt geworden – im Spiel war eine Quetschung durch weit überhöht angezogene Vorbauschrauben. Auf dem Schadensbild der Stiftung Warentest sei erkennbar, dass der Lenker nicht korrekt im Vorbau montiert sei: Normalerweise sei an der Vorbauklemmplatte ein Spalt von zirka zwei Millimetern vorhanden. Auf dem Foto sei kein Spalt erkennbar. Die Vorbauklemmplatte sei also nicht richtig und eventuell mit zu großem Anzugsmoment befestigt worden. Es müsse eine Vorschädigung vermutet werden.

Derby Cycle weist darauf hin, dass das nur »ausreichend« beurteilte Raleigh Richmond XT den gleichen Rahmen und die gleiche Gabel habe wie der Testsieger Kalkhoff Image, trotzdem habe Kalkhoff ein Fahrverhalten von 1,8 und Raleigh von 2,7.

Auch bei Derby stammt der im Test gebrochene Lenker von Humpert und werde 10.000-fach eingesetzt. Der Lenker entspricht der EN-Norm, bestehe aber die noch strengeren hausinternen Testanforderungen. Ohnehin entspreche das Testverfahren der Stiftung Warentest nicht den bestehenden EN-Normen.

Stevens bemämngelt, dass die Stiftung Warentest ein eigenes Prüfprogramm einsetzt, bei dem 24.000 Fahrkilometer simuliert würden mit Lasten, die in eigenen Fahrversuchen ermittelt worden seien – die genauen Lastwechsel in Abfolge und Höhe seien aber für die Testteilnehmer nicht einsehbar, ebenso wenig die Ermittlungsbasis für diese Lasten. Vermutlich seien die Lasten unrealistisch hoch. Der Bruch im Gabelschaft bei Stevens trat nach 14.000 Kilometern ein. Von baugleichen Systemen habe man aber allein in den letzten fünf Jahren mehr als 200.000 Gabeln in den Markt gebracht (in Deutschland, Europa, den USA), ohne dass auch nur eine einzige Reklamation eines gebrochenen Gabelschafts erfolgt sei. EFBE Prüftechnik in Waltrop habe die Gabel auf Dauerhaltbarkeit nach den aktuellen EN Normen 14764 mit Erfolg getestet.

Stevens bezweifelt auch die Schwächen im Nassbremsverhalten der hinteren Shimano-Deore-Felgenbremse in Kombination mit den Mavic-Felgen A119. Die Stiftung Warentest teste Neuräder mit nicht eingebremsten Felgenflanken und Bremsgummis. Im Laufe der Zeit verbesserten sich die Bremseigenschaften. Vor Jahren hat Stevens andere Bremsklötze (Shimano M70T3, T4) eingesetzt, die bessere Nassbremswerte aufweisen; allerdings kam es dort zu einem größeren Verschleiß der Felgenflanke und zu Geräuschbildung. Der Bremsschuh S70T bilde einen guten Kompromiss aus Bremskraft, Felgenschonung, Verschleißfestigkeit und Geräuscharmut.

Auch die von »test« defekt gemeldete Tretkurbel Shimano FC M 521 entspreche den aktuellen Anforderungen der Trekking/Citybike-Norm EN 14764 sowie den MTB-Normen EN 14766 (Art. 4.13.7). Auch gebe es keine Problemfälle in der Praxis.

Das Material der Herrmans-Lenkergriffe Primergo erhielten die Note 2,9 wegen einer minimale Konzentration von PAK-Kunststoffen (Farbadditive/Ruß). Herrmans teilte auf Anfrage mit, dies beziehe sich auf eine frühere Produktionscharge. Alle neuen Produktionen seien auf PAK-freie Stoffe umgestellt. Die gemessene Konzentration liege zudem unter allen von der EU festgelegten Grenzwerten.

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