Am zweiten Messetag der Taipei Cycle Show 2010 hatte das A-Team – ein Zusammenschluss hochwertiger taiwanesischer Premium-Fahrrad- und Fahrradteile-Anbieter – zu seiner traditionellen Jahresversammlung ins TWTC International Trade Building geladen. Dort stand nach Begrüßung neuer Mitglieder sowie einiger Allgemein-Infos zum A-Team seitens des aktuellen A-Team-Vorsitzenden und Merida-Chefs Michael Tseng vor allem die Hauptrede von Ying-Ming Yang in seiner Funktion als Vorsitzender des taiwanesischen Fahrrad-Exportverbandes TBEA im Scheinwerferlicht. Thema seines Vortrags: Wie sollen Taiwans Unternehmen auf den sich derzeit verändernden Arbeitsmarkt in China reagieren?
Bevor Ying-Ming Yang mit seinem spannenden Thema loslegen konnte, gab der A-Team-Vorsitzende Michael Tseng noch schnell vorab einige Infos zum A-Team zum Besten. 2003 von 13 Premium-Taiwanproduzenten gegründet, repräsentiert diese „Fahrrad-Allianz“ heute 22 Mitglieder. Dazu gesellen sich noch die sieben sogenannten (und auch in Taiwan produzieren lassende) „Sponsor-Mitglieder“ Colnago, Dahon, DT Swiss, Scott, Specialized und Trek Group. Neu dabei und erstmals im erlauchten Kreis willkommen geheißen: Bremsspezialist Hayes Bicycle Group und TranzX-Macher JD Corporation. Nach einem kurzen Überblick über das Fahrradjahr und die Produktion 2009 in Taiwan übergab Tseng das Mikrophon an Yang.
China im Wandel
Fakt ist, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt China gerade in den letzen Monaten dramatisch verändert hat: „Als die weltweite Finanzkrise auch China traf, haben die Produzenten die Produktion heruntergefahren und Arbeitskräfte entlassen. Mitte 2009 – als sich alles wieder einzurenken schien – hat ein Arbeitskräftemangel zur Panik geführt.“
Was ist passiert? Chinas Wanderarbeiter nehmen nicht mehr jeden Job an. Zudem hat sich die Arbeitsmarktsituation im armen Hinterland verbessert, sodaß nicht mehr jeder Arbeiter unbedingt dem Angebot der Weltfabriken Chinas folgen muß. Der sich verringernde Gehaltsunterschied vom armen Hinterland zu den reichen Küstenregionen wird durch den dortigen höheren Lebensunterhalt fast aufgefressen. Somit, meint Ying-Ming Yang, „ist der bisher für unerschöpflich geltende Zugang zu billigen Arbeitskräften in China nicht mehr gegeben. Das ist Vergangenheit.“
Vier größere Veränderungen hätten zur Arbeitskräftemangel beigetragen: „Viele Arbeiten werden schlecht bezahlt und sind somit nicht mehr attraktiv. Zudem hat sich die Arbeitsstruktur verändert: Junge Chinesen sind nicht mehr bereit, ihre Heimat und Familie für einen niedrigen Job zu verlassen. Drittens haben sich die Ansprüche der Arbeiter an ihre (Niedrig-)Arbeit gerändert. Und viertens hat sich die chinesische Wirtschaft insofern verändert, dass sich jetzt auch attraktive Jobs in Produktionsstätten im Hinterland finden lassen.“
Verspätete Rahmenlieferungen
Wie kann die Fahrradindustrie auf diese Veränderungen, die sie besonders getroffen haben – Insider gehen bereits von verspäteten Rahmenlieferungen aus -, reagieren? Fakt ist, das der Wettbewerb groß ist und manche Arbeitsplätze anderer Industrien (z.B. in der Computerbranche) gegenüber der Fahrradindustrie attraktiver sind. Der Wettbewerb ist hart.
Lohnerhöhung und weitere „Attraktionen“
Deshalb dringt Yang darauf, unbedingt die Löhne der chinesischen Arbeiter zu erhöhen. Genau das sei auch schon zu Beginn des Jahres geschehen: „Das Basisgehalt stieg 10 bis 15 Prozent.“ Zudem könne man die Jobs mit anderen Mitteln attraktiv gestalten: „Kenda hat beispielsweise gerade in den chinesischen Wohnheimen seiner Arbeiter Air-Condition-Anlagen installieren lassen. Des Weiteren sind jetzt alle Essen umsonst.“ Somit würde die Lohnerhöhung insgesamt mehr als 20 Prozent ausmachen. Ziel müsse es sein, Arbeiter auch langfristig an ihren Arbeitgeber zu binden: „Davon profitieren wir alle – vor allem wenn sich Chinas Wirtschaft wieder erholt.“
Somit Ying-Ming Yangs Aufruf an die auch in China produzierenden A-Team-Mitglieder: „Es ist unausweichlich notwendig, die Gehälter zu erhöhen und weitere Maßnahmen aufzugreifen, um den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten. Und zwar schnell. Seien Sie sich der aktuellen Situation bewusst. Verbessern Sie das gesamte Arbeitsumfeld. Nur so können Sie Arbeitskräfte halten und an sich binden. Verbessern Sie auch die Produktivität Ihrer Fabriken, um die Arbeitskraft-Nachfrage und die Kosten in den Griff zu kriegen. Erhöhen Sie Ihre R&D-Aufwand für die Produktion hochwertiger Produkte. Bilden Sie ihr Markenimage aus und versuchen auch, einen Fuß in den lokalen Markt China zu bekommen. Zudem schauen Sie zu, alternativ Ihre Produktion in Taiwan oder in anderen Ländern wie Vietnam oder Kambodscha hochzufahren.“
Kenda hätte zum Beispiel aufgrund der Problematik in China einen Teil seiner Produktion nach Taiwan verlagert. Heißt wohl auch: Der Kostenvorteil von China-Made ist wohl im Vergleich nicht mehr so groß.
Wie auch immer: Fakt ist, dass die höheren Kosten der China-Produktion letztendlich auch zur Erhöhung der Verkaufspreise führen werden. Daran geht kein Weg vorbei.
– Jo Beckendorff –