Letzten Donnerstag (15. November) hat Kenth Öhlin – Gründer und Eigentümer des Fahrwerks- und Federungsspezialisten Öhlings Racing AB – eine Vereinbarung zum Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung an den U.S.-amerikanischen Automobil-Zulieferer Tenneco Inc. unterzeichnet. Die genaue Höhe besagter Mehrheitsbeteiligung sowie der dafür gezahlte Kaufpreis werden allerdings nicht kommuniziert. Vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen und anderer üblicher Abschlussbedingungen soll die Akquisition voraussichtlich Anfang 2019 abgeschlossen sein.
Öhlins mit Sitz im schwedischen Upplands Väsby wird eine Tochtergesellschaft von Tenneco. Beide Unternehmen – sowohl Öhlins als auch Tenneco – sind in der Fahrradbranche keine Unbekannten.
Öhlins (www.ohlins.eu) ist neben den Geschäftsbereichen Auto und Motorrad auch im Sektor MTB aktiv. So bieten die Schweden eigenen Angaben zufolge »neben Stoßdämpfern und Gabeln für verschiedene Modelle von Specialized auch Universalprodukte an«. Mit der Twin-Tube-Technologie überträgt Öhlins sein Know-How aus dem Motocross auf das Mountainbike. »Gebaut aus besten Materialien und erhältlich mit verschiedenen Längen und Federwegen, lassen sich die Öhlins-Fahrwerke in viele der am Markt erhältlichen Mountainbikes einbauen, um diese auf ein völlig neues Performancelevel zu heben«, heißt es auf der Firmen-Webseite.
Der neue Öhlins-Mehrheitseigner Tenneco Inc. (www.tenneco.com) wird vielen noch als Mutter der Fahrrad-Federungsspezialisten Marzocchi in Erinnerung sein. Die börsennotierten Amerikaner hatten die Italiener 2008 übernommen, waren damit aber nie glücklich geworden. 2015 lösten die das Marzocchi-Geschäft auf. Erste Gespräche mit dem damaligen Produktionspartner SR Suntour über eine mögliche Übernahme des MTB-Geschäfts scheiterten. Ende 2015 erwarb dann Mitbewerber Fox Factory Holding Corp. die Marzocchi MTB-Sparte – genauer gesagt »bestimmte Vermögenswerte aus der Mountainbike-Produktlinie von Marzocchi«. Unter Fox lebt die Marke Marzocchi weiter.
Mit der Übernahme von Öhlins wird Tenneco seine Position als weltweit führende Designer, Hersteller und Vertreiber von Fahrleistunsprodukten und -technologien ausbauen. Kenth Öhlin wird weiterhin Teil von Öhlins sein. Er wird eine Minderheitsbeteiligung an dem Unternehmen behalten und auch weiterhin dem Vorstand von Öhlins angehören. Öhlins-Marke und Team sollen weiterlaufen wir bisher.
Zum Mehrheitsverkauf äußert sich Kenth Öhlin wie folgt: »Gemeinsam bilden Öhlins und Tenneco eine sehr starke Konstellation. Nachdem ich die Stärken beider Unternehmen betrachtet hatte, traf ich die schwerste Entscheidung meines Lebens – mein Lebenswerk zu verkaufen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns in Zukunft sehr positiv entwickeln werden. Öhlins wird von den Chancen profitieren, die sich jetzt durch den Eintritt von Tenneco ergeben.« Die starke Stellung von Öhlins als Technologieunternehmen mit High-End-Fahrwerken für Motorrad, Automobil und Mountainbike würde das fortschrittliche Fahrleistungsportfolio von Tenneco ergänzen und weiter stärken.
Mehr als 97 Prozent des Öhlins-Umsatzes wird durch Exporte eingefahren. Dieser verteilt sich gleichmäßig auf die Erstausrüstung von Herstellern (OEM) und den Zubehörmarkt. Zu den größten OEM-Kunden von Öhlins im Motorradbereich gehören Aprilia, BMW, Ducati, Honda, Kawasaki, Triumph and Yamaha.
Wie es mit dem MTB-Geschäft von Öhlins unter Tenneco weiter geht bleibt abzuwarten. Allzu gute Erinnerung an die Fahrradsparte dürften die U.S.-Amerikaner nicht haben. Die damalige Trennung bzw. Liquidation von Marzocchi führte zu einer Rekordbelastung von 27 Millionen US$ (zum damaligen Zeitpunkt 24,6 Millionen Euro). Auf der anderen Seite wurde allerdings durch den klaren Cut auch das Finanzergebnis ab 2016 jährlich um etwa 7 Millionen US$ (damals 6,4 Millionen Euro) verbessert.
Text: Jo Beckendorff, Foto: Öhlins Racing