Verteuerte Rohstoffe, höhere Frachtkosten, ungünstige Wechselkurse etc.pp – anfangs konnte Transportsystem-Anbieter Thule Group AB die Auswirkungen der russischen Invasion auf die Ukraine mit Preiserhöhungen und Effizienzmaßnahmen irgendwie noch ausgleichen. Schon damals verwiesen die Schweden aber schon explizit auf die instabile Marktsituation im Fahrradeinzelhandel. In einem im September veröffentlichten Handelsupdate warnte das Unternehmen, dass sich die Situation verschärft habe. Fahrradhändler auf der ganzen Welt hätten ihre Einkäufe im dritten Quartal im Vergleich zum Rekordjahr 2021 deutlich reduziert. Kurz von Veröffentlichung der dritten Verkaufsquartals-Zahlen des laufenden Geschäftsjahres 2022 wurde noch einmal vorrausschauend nachgelegt: Umsatz und Rentabilität würden »aufgrund hoher Lagerbestände und Verunsicherung im Fahrradmarkt« weitaus schwächer als erwartet ausfallen. Die letzten Donnerstag (27. Oktober) vorgelegten Geschäftszahlen sprechen eine dementsprechend deutliche Sprache.
Der Nettoumsatz des dritten Thule-Verkaufsquartals stürzte regelrecht ab – und zwar im Vergleich zu Juli bis September 2021 um 22,8 Prozent auf 2,14 Milliarden SEK (195,87 Millionen Euro). Siehe dazu auch unten Graphik 1. Bereinigt um Wechselkurs-Schwankungen sank der Nettoumsatz des Konzerns sogar um 29,4 Prozent. Das Betriebsergebnis belief sich auf 193 Millionen SEK (17,67 Millionen Euro). Zum Vergleich: im dritten Verkaufsquartal 2021 waren es noch 670 Millionen SEK (61,32 Millionen Euro). »Anhaltende große Investitionen in Entwicklungskosten, Einführungskosten für Kindersitze, erhöhte Kosten für die Verwaltung der höheren Lagerbestände und die Wiederaufnahme der Teilnahme an Messen haben das Quartal belastet«, heißt es dazu im Geschäftsbericht.
»Da die weltweiten Fahrradgeschäfte ihre Einkäufe aufgrund ihrer allgemein hohen Lagerbestände deutlich reduzierten, verzeichneten wir im dritten Quartal einen rapiden Nachfragerückgang fahrradbezogener Produkten«, erklärt Thule Group-CEO and Präsident Magnus Welander, »im Bericht für das zweite Quartal hatten wir auf die Besorgnis über hohe Lagerbestände bei unseren Kunden hingewiesen. Die Abschwächung war jedoch wesentlich stärker als erwartet.«
Aufgeteilt nach den zwei von Thule Group ausgewiesenen Verkaufsregionen entfiel ein Umsatz von 1,42 Milliarden SEK (129,98 Millionen Euro, minus 26,2 Prozent – währungsbereinigt minus 29,4 Prozent) auf »Europa und den Rest der Welt« sowie 721 Millionen SEK auf »Americas« (65,99 Millionen Euro, minus 15,3 Prozent – währungsbereinigt minus 29,5 Prozent). Siehe dazu unten Graphik 2.
Verkaufsregion Europa und der Rest der Welt
Mit Blick auf den Usatzrückgang verweist Welander vor allem auf die sehr vorsichtige Haltung der Fahrrad-Händler, die in allen europäischen Märkten zu Umsatzrückgängen geführt hätte – »wobei die nordischen Länder und Frankreich – verglichen mit einem sehr starken Vorjahreszeitraum« – die schwächsten Märkte im Quartal waren.
In Asien entwickelten sich die Umsätze vor allem aufgrund der positiven Entwicklung bei Packs, Bags & Luggage gut. Obwohl der internationale Reiseverkehr extrem eingeschränkt war, entwickelten sich die japanischen und südostasiatischen Märkte besonders gut.
Bei den Sport- und Lastentransportern waren Dachboxen und Anhängerkupplungen für den Transport die stärkste Kategorie. Im Bereich Jugend- und Heimtier-Produkte (früher bekannt als »Active with Kids«) entwickelten sich die Kinderwagen weiterhin gut. Der Verkauf von Fahrradanhängern und Kinder-Fahrradsitzen entwickelte sich wiederrum rückläufig. Die Produktkategorie Packs, Bags & Luggage wuchs im Vergleich zum schwachen Vorjahr »vor allem dank großer Seesäcke, Handgepäck und Rucksäcke für den täglichen Gebrauch«.
Wohnmobil-Produkte verzeichneten weiterhin »mit der Ausnahme von Fahrradträgern« ein sehr starkes Wachstum.
Verkaufsregion Americas
In der Verkaufsregion Americas entwickelten sich die wichtigsten Thule-Märkte USA und Kanada schlecht: Hauptgrund: deutlich geringere Umsätze mit fahrradbezogenen Produkten. Dazu verzeichnet Lateinamerika ganz im Gegensatz dazu im dritten Verkaufsquartal ein positives Wachstum.
Rucksäcke, Taschen und Reisegepäck, die in dieser Region eine wesentlich größere Kategorie darstellen, entwickelten sich in diesem Quartal (ähnlich wie in der Region Europa und der Rest der Welt) sehr gut. Wie in dieser Verkaufsregion auch schnitten im Sektor Sport&Cargo Dachboxen am besten ab – und Fahrradträger mussten Federn lassen.
Jugend- und Heimtier-Produkte schnitten ebenfalls schlecht ab – wobei das zum Vergleich herangezogene dritte Quartal des Vorjahres außergewöhnlich stark war. Die kleine und eindeutig nischenorientierte Kategorie Wohnmobilprodukte entwickelte sich hingegen weiterhin sehr gut.
Die Zahlen der ersten drei Verkaufsquartale 2022
Die im Vergleich noch guten Verkäufe des ersten Halbjahres 2022 konnten die miserablen Verkaufszahlen des dritten Verkaufsquartals halbwegs auffangen. So beträgt der Nettoumsatz der ersten drei Verkaufsquartale alles in allem 8,49 Milliarden SEK (777,11 Millionen Euro, minus 0,6 Prozent – währungsbereinigt minus 7,1 Prozent). Von diesem Gesamtumsatz 01-09/2022 entfallen 5,99 Milliarden SEK (548,28 Millionen Euro) auf Europa und den Rest der Welt (minus 4,7 Prozent, währungsbereinigt minus 8,1 Prozent) sowie 2,50 Milliarden SEK (228,83 Millionen Euro) auf Americas (minus 10,8 Prozent – währungsbereinigt minus 4,5 Prozent). Das Betriebsergebnis der ersten drei Verkaufsquartale 2022 lag bei 1,67 Milliarden SEK (152,87 Millionen Euro, 01-09/2021: 2,12 Milliarden SEK = 194,07 Millionen Euro).
Ausblick
Für das Gesamtjahr 2022 gehen die Schweden von einem Nettoumsatz von 10,33 Milliarden SEK (946,12 Millionen Euro) aus. Verglichen mit 2021 wäre das quasi auf hohem Vorjahresniveau (genau genommen minus 0,5 Prozent). Insofern kann man sagen: alles gut!
Aber Vorsicht – in den kommenden Quartalen wird Thule laut Magnus Welander »wie bereits kommuniziert mit einem herausfordernden Markt konfrontiert sein, der von größerer Unsicherheit darüber geprägt sein wird, wie sich die Kauflust der Verbraucher in einer unsicheren Welt auswirkt, sowie von Einzelhändlern, die sich bemühen werden, die Lagerbestände niedrig zu halten«.
Mit Blick auf die in den letzten beiden Corona-Jahren exorbitanten Fahrradprodukt-Verkäufe kann man aber auch sagen: »The higher they fly, the higher they fall.«
So ist auch Thule Group weiterhin davon überzeugt, dass der Trend, ein aktives Leben in der Nähe der eigenen vier Wände zu führen, auf lange Sicht anhalten wird. Somit werde man auch an seiner langfristigen Strategie und ehrgeizigen Zielen festhalten.
»Gleichzeitig haben wir dank unseres flexiblen Betriebsmodells bereits Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass wir über den richtigen Personalbestand verfügen. Zudem haben wir unsere kapazitätsbezogenen Investitionen in unsere Montageanlagen angepasst. Wir werden die Marktentwicklung weiterhin genau beobachten. Im Jahr 2023 werden wir außerdem eine spannende Wachstumsreise in den Produktbereichen Auto-Kindersitze und Hundetransport-Lösungen beginnen«, versichert Welander.
Text: Jo Beckendorff, Bilder und Graphiken: Thule Group