In den USA geht ein Stück deutsch-amerikanische Fahrrad-Geschichte zu Ende: Das vor 50 Jahren von Karl Heinz Schaette gegründete Unternehmen KHS Bicycle Parts (KHS steht für »Karl Heinz Schaette« und hat nichts mit KHS Bicycles aus Taiwan zu tun!) wird im August 2022 seine Pforten schließen.
Anfang 2020 berichtete der RadMarkt über den Tod von Karl Heinz Schaette, der laut damaligen Aussagen seines Sohnes Thorsten (alias Thor) auch noch mit 87 Jahre (soweit es seine Gesundheit zuließ) ins Büro kam und nach dem Rechten schaute. Seine gesamte Geschichte hatten wir damals detailliert aufgegriffen. Hier noch einmal ein Überblick.
Seine Karriere hatte der KHS Bicycle Parts-Gründer bei Union Fröndenberg begonnen (die Marke Union gehört heute zur taiwanischen Marwi Group). Damals reiste Karl Heinz Schaette mit einer Aktentasche voller Muster durch die USA. Schließlich machte er sich in den USA als unabhängiger Vertreter für europäische Anbieter einen Namen, deren Produkte er sowohl an OEM-Kunden als auch Großhändler verkaufte. Als er mit etwa zehn verschiedenen europäischen Unternehmen zu tun hatte, überzeugte er die deutschen Anbieter Union (Fahrradlicht) und Weinmann (Fahrrad-Bremsen), die Produktion in Olney/Illinois aufzunehmen. Olney lag damals genau im Zentrum der fünf großen US-Hersteller.
In Olney baute KHS Bicycle Parts ein eigenes Lager, dass den US-Markt mit Produkten von Esge, Pletscher, Eldi, Reich, SKS, Cratoni, Unior, Shain, Magura und Esjot belieferte. So führten Schaette und sein Team auch die hydraulischen Magura-Fahrradkomponenten auf dem US-Markt ein. Zudem wurden Sapim-Speichen über die Jahre für KHS Bicycle Parts ein großer Erfolg.
Des Weiteren fungierte das KHS Bicycle Parts-Lager als »Inkubator« für weitere Unternehmen wie zum Beispiel Brooks und Sigma. 2010 gesellte sich Dahon dazu. Für die Faltrad-Marke übernahmen Schaette und Team in den USA »Logistik, Versand, Service und Buchhaltung«.
Später wurde
Später wurde ProVelo als Schwesterunternehmen von KHS Bicycle Parts gegründet, um Ersatz- und Kleinteile an den Fahrrad-Fachhandel zu verkaufen. Weil es keine Mindestmenge sowie laut Thor Schaette »einen superschnellen Versand und exzellenten Service« gab, war dieses Unternehmen vor allem mit dem Verkauf von Speichen erfolgreich.
Als Karl Heinz Sohn Thor das Unternehmen übernahm, gründete er noch ThorUSA. Dabei handelt es sich laut dem Firmenchef um eine der ersten und führenden Online-Webseiten, die sich auf den Faltrad-Markt spezialisiert: »ThorUSA hat einen neuen Weg eingeschlagen und bietet Falträder und dringend benötigte Ersatzteile in den USA und weltweit direkt an.«
Nun gab Thor Schaette bekannt, alle drei Unternehmen im August 2022 zu schließen. Er und seine Frau Cheryl wollen künftig mehr Zeit damit verbringen, ihre Enkelkinder zu besuchen und zu reisen. Dabei wollen sich auch ihre Falträder beim Segeln (eines der großen Hobbies von Thor Schaette) oder Camping zu benutzen. Nachfolger für den jeweiligen KHS-Markenvertrieb wurden bereits gefunden.
Rückblickend meint Thor Schaette, der auch schon sehr früh (zunter anderem bei Bikeanbieter Schauff) ins Fahrrad-Geschäft eingestiegen war: »Es war manchmal turbulent und nicht immer toll, im Fahrradgeschäft zu arbeiten, aber im Großen und Ganzen hatten wir auch viel Spaß, haben viele Freunde gefunden, hart gearbeitet und am Ende des Monats einen Gehalts-Scheck bekommen.«
Gerne erinnert er sich aber auch noch daran, wie er einst auf der IFMA am Esge-Stand Kaffee servierte, während meine Eltern mit all den USA-Leuten arbeiteten, die die Messe besuchten: »Damals war ich zehn Jahre alt. Das ist jetzt 55 Jahre her. Jetzt ist es an der Zeit, sich von den besten Kunden und Lieferanten mit einem herzlichen Dankeschön zu verabschieden.«
Der Standort Olney wird weiterhin deutschen Fahrradgeschichte atmen: Magura-USA, SKS-USA und Konsorten sind dort weiterhin zu Hause. Ohne die Schaettes hätte sich dieser Ort nicht zu einer Heimat deutscher Fahrrad(teile)-Marken gemausert.
Text: Jo Beckendorff, Foto: Thor Schaette