Nun startet auch die Fahrradreifen-Größe Vittoria Spa (Vittoria Group) in ihrer Heimat mit einem eigenen Recycling-Programm für gebrauchte Fahrradreifen und -schläuche durch. Mit diesem Schritt zielen die Italiener eigenen Angaben darauf ab, »die Kreislauffähigkeit der Industrie und die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu erhöhen«.
Jedes Jahr landen laut Vittoria Group in Italien mehr als 4 Millionen Fahrradreifen und -schläuche in die allgemeine Müllabfuhr: »Dadurch entstehen mehr als 1.000 Tonnen Müll, die für Deponien und Verbrennungsanlagen bestimmt sind. Diese Zahlen sind nicht nachhaltig.« Vittoria Group will jetzt eine konkrete Lösung anbieten.
Vittoria Re-Cycling unter Beteiligung des heimischen Fahrrad-Fachhandels
Vittoria Re-Cycling ist ein neues Programm für die Sammlung und das Recycling von Fahrradreifen und -schläuchen unter Beteiligung des heimischen Fahrrad-Fachhandels. Die Ladenbesitzer sollen von der zertifizierten Sammlung und dem Recycling profitieren.
Für dieses Projekt nimmt Vittoria Group die Dienste des »Recycling Cycle«-Unternehmens Esosport in Anspruch, einem Spezialisten für die Sammlung und das Recycling von Abfällen in der Sportbranche.
»Wir müssen hart arbeiten, um in der Fahrradindustrie echte Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Mit dem Vittoria Re-Cycling-Programm haben wir einen ersten wichtigen Schritt getan. Wir versprechen, dass viele weitere folgen werden«, erklärt Vittoria Group-Präsident und -CEO Stijn Vriends (1. Bild unten). Ob dieses Programm nach einer ersten Pilotphase auch in anderen Vittoria-Märkten zum Einsatz kommt und wenn dann wann, wird derzeit nicht kommuniziert.
Going green
Vriends und sein Team sind überzeugt davon, dass Nachhaltigkeit ein Schlüsselfaktor für den Erfolg in der Fahrradbranche ist. So beteiligt sich Vittoria Group auch an weiteren Initiativen, die darauf abzielen, die Umweltauswirkungen ihrer Aktivitäten und Produkte zu reduzieren.
In diesem Zusammengang verweisen die Italiener auf ihre Mitgliedschaft bei Shift Cycling Culture – »einem Branchenverband, der sich verpflichtet, die Treibhausgas-Emissionen strukturell zu reduzieren«.
Zudem baut Vittoria und deren Produktionstochter Lion Tyres (Thailand) Co., Ltd. (LTT) in Thailand »die weltweit erste kohlenstoffneutrale Fahrradreifen-Fabrik«. Die soll planmäßig im kommenden Jahr loslegen.
Heimischer Fachhandel zieht mit
Das Interesse an Vittoria Re-Cycling ist groß: in weniger als zwei Monaten haben sich schon viele heimische Fahrradgeschäfte für das Programm angemeldet – für Vittoria Group ein Beweis, »dass die Fahrradlieferkette auf Nachhaltigkeit achtet«. Es zeige sich aber auch, »dass die Ladenbesitzer wirtschaftliche, rechtliche und logistische Unterstützung beim Umgang mit gebrauchten Fahrradreifen und Schläuchen benötigen«.
Aus Reifen und Schläuchen wird ein Granulat – und daraus ein Belag für Spiel- und Sportplätze
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So funktioniert´s: Mit der Registrierung für das Vittoria Re-Cycling-Programm erfüllt ein Fachhandels-Geschäft die neuesten Vorschriften für die Entsorgung von gebrauchten Fahrradreifen und Schläuchen. Esosport ist eine etablierte Einrichtung im Bereich der Sportabfälle, die von dem italienischen Radsport-Verband Federazione Ciclistica Italiana (FCI) unterstützt wird. Vittoria Group trägt alle Kosten für die Sammlung und Entsorgung der Abfälle. Dabei werden alle Arten und Marken von Fahrradreifen und Schläuchen gesammelt. Die ESO-Recyclinganlage in Tolentino (Macerata, Italien – 2. Bild unten) verfügt über eine Maschine, die die Reifen und Schläuche zu Granulat verarbeitet. Dieses kann dann für die Herstellung von Belägen für Spielplätze und Sportplätze verwendet werden.
Down-, Re- und Upcycling
RadMarkt-Anmerkung: somit handelt es sich auch wohl eher um ein Down- als ein Re-Cycling. Weil das Downsizing aber auch auf die Wiederverwertung von Rohstoffen setzt und auf diese Weise die Ressourcennutzung und Umwelt schont, ist es als Prozess des Recyclings nicht weniger wichtig als das Upcycling.
Demnach wird das dem Recycling entnommene Material einer neuen Funktion zugeführt. Anders ausgedrückt: es wird (aufgrund eines Qualitätsverlusts?) nicht mehr der Reifen- und Schlauch-Produktion zugeführt, sondern einem qualitativ geringfügigeren Endprodukt hinzugefügt.
In diesem Fall heißt das: was passiert, wenn oben genannte Spiel- und Sportplatz-Beläge ihren »End of Life«-Status erreicht haben? Irgendwann ist das Ende des Downcycling erreicht – und zwar genau dann, wenn – O-Ton aus dem Lexikon der Nachhaltigkeit – »der Material- und Energieaufwand beim Recyceln eine neue Verwendung des recycelten Rohstoffes nicht mehr rechtfertigt«.
Vittoria-Aktion schärft Konsumenten-Bewusstsein für Nachhaltigkeit
Nichtsdestotrotz ist der Ansatz richtig – jedes Sammeln und Wiederverwerten schont Ressourcen. In Italien sind die an Vittoria Re-Cycling beteiligten Fahrrad-Geschäfte leicht zu erkennen. Zusätzlich zu den Containern für die Reifen und Schläuche stellt Vittoria nämlich Kommunikationsmaterialien wie Banner, Broschüren und Plakate zur Verfügung, die in den Geschäften ausgelegt werden. Somit soll vor allem das Bewusstsein der Endverbraucher für die Nachhaltigkeitsaktivitäten der mitmachenden Fahrrad-Fachhandelsgeschäfte geschärft werden.
»Wir freuen uns, dass Vittoria den Wert und das Potenzial unseres Projekts zur Umwandlung von Sportabfällen erkannt hat«, meint ESO Società Benefit arl-Geschäftsführer Nicolas Meletiou (1. Bild unten), »jede kleine Geste wie das Sammeln und Verwerten von Fahrradreifen und Schläuchen kann die ökologische Nachhaltigkeit fördern.«
Zudem stelle das auch eine wertvolle pädagogische Botschaft. Schließlich würde die Kreislaufwirtschaft ein großartiges Instrument zur Verringerung der Auswirkungen von Abfällen auf die Umwelt darstellen: »Es ist ein Mannschaftsspiel, das wir nur gemeinsam gewinnen können.«
Text: Jo Beckendorff, Fotos: Vittoria Group