Der VSF sieht über den Tellerrand hinaus, indem er sich für den Radverkehr engagiert. Geschäftsführer Albert Herresthal erläuterte die Position des Verbandes in einem Vortrag vor der Mitgliederversammlung in Bad Boll.
Momentan gehe die Verkehrspolitik noch zu mathematisch vor. Zukunftstrends und demographische Entwicklung würden außer Acht gelassen, erklärt Albert Herresthal. Er forderte eine ziel- und werteorientierte Verkehrspolitik. Jedoch besäßen die Lobbyisten und Verbände beispielsweise von der Autoseite großen Einfluss. Das kollektive gesellschaftliche Bewusstsein verbinde mit dem Auto positive Begriffe wie Stärke, High Tech, Fortschritt. Das Fahrrad sei noch nicht wirklich aus der „Niedlich“-Ecke heraus gekommen. Klimaschutz-Argumente seien zudem viel zu abstrakt für Verkehrspolitiker.
ÖPNV-Interessensgruppen wie VCD (Verkehrsclub Deutschland) und ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) versuchen gegenzusteuern. Herresthal sieht erste Anzeichen eines Bewusstseinswandels: Die Tagesthemen berichten über ein Grundsatzurteil gegen Radwege-Pflicht, das Pedelec wird mit Modernität assoziiert und erhält mediale Aufmerksamkeit. Auch Durchschnittspreise und Produktqualität verbessern sich.
Der Nationale Radverkehrsplan sei ebenfalls ein Indikator für den steigenden Stellenwert des Fahrrades. Kommunen, vor allem Städte, integrieren das Thema Fahrrad, jedoch mit regionalem Ungleichgewicht. Ballungsgebiete denken ernsthaft über Radschnellwege nach holländischem Vorbild nach. Der Fahrradanteil im Modalsplit stieg von neun auf zehn Prozent, gepusht durch Image-Kampagnen wie „Kopf an – Motor aus“, finanziert vom Verkehrsministerium und realisiert von Velokonzept und VCD. Vorbildhaft seien Kopenhagen mit einem jährlich um zwei Prozent wachsenden Fahrrad-Parkraum und Paris mit dem Vélib-Verleihsystem. Herresthal appelliert, die Lobbyarbeit fürs Fahrrad »materiell und ideell« zu verstärken: »Wir sind schon da, wenn das Öl zu Ende geht.«
Text/Foto: Astrid Johann