Eine wichtige Triebfeder für den Forscher ist die Entlarvung von Mythen. Er hält sich zugute, widerlegt zu haben, dass schon Leonardo da Vinci ein fahrradähnliches Konstrukt erfunden hätte. Es gebe viele solcher Märchen, sagt Lessing. Das vorliegende Buch zeichnet die großen Linien der Entwicklung der Fahrradtechnik nach – von Beginn an, also seit der Erfindung des Laufrades (nicht Fahrrades) durch Karl Drais: „Er hat das Zweirad-Prinzip erfunden“, sagt Lessing, „und das ist die Basis jedes Fahrrads und Motorrads.“ Bei der Recherche haben die Autoren viele Neuentdeckungen gemacht.
Die Aufgabe, ein Standardwerk zu schaffen, hat sich Lessing mit Tony Hadland geteilt: Lessing machte die Frühzeit bis 1890, Hadland den folgenden Abschnitt bis fast zur Gegenwart. Die neusten Entwicklungen hat man bewusst nicht fokussiert, weil sie anderswo nachzulesen sind. Auch das E-Bike hat man nicht behandelt.
Jeder Fahrradtyp vom Rennrad bis zum Lastenrad bekam ein eigenes Kapitel. Dazu wurden wichtige Komponenten behandelt wie die Beleuchtung, die zunächst sogar mit Explosionsgefahr verbunden war. Auch frühe Scheibenbremsen haben die Autoren ausgegraben, wie es ihnen überhaupt darum ging, Entwicklungen abseits des Mainstreams ans Licht zu holen, die sich nicht dauerhaft durchsetzten.
Die UCI war aus Lessings Sicht ein Bremser für technische Innovation. Ein Rennrad in Schalenbauweise wurde erst zugelassen und dann wieder verboten, als darauf ein Rekord gefahren wurde, sagt der Experte. Ohnehin ist der mit Top-Speed durch Innenstadt brausende Junggeselle lange Zeit das Leitbild der Fahrradentwicklung gewesen.
Für Lessing war das Fahrrad schon immer ein technisch anspruchsvolles, komplexes Produkt, und nicht erst in den letzten 20 Jahren gab es großen Erfindergeist. Das soll dieses Buch zeigen.
Hans-Erhard Lessing / Tony Hadland: Evolution des Fahrrads
ISBN 978-3-662-63486-8