WTO: China-Beschwerde gegen EU in Sachen Anti-Dumping
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Mitte Dezember hat China bei der Welthandelsorganisation WTO eine Beschwerde gegen die von der EU praktizierten Anti-Dumping-Berechnungen und -Handhabungen eingereicht. Mit denen würde Brüssel gerne bestehende Strafzölle in eine weitere Laufzeit-Runde schicken. Auch dabei: Einer der am längsten laufenden EU-Strafzölle gegenüber China. Er betrifft in die EU importierte »Made in China«-Kompletträder. Aktuelle Strafzoll-Höhe: 48,5 Prozent. Gegenwärtige Laufzeit: Bis 2018. Und danach?

Bereits am 12. Dezember beantragte China bei der EU mehrere Konsultationen. Dabei geht es um bestimmte (EU-)Berechnungen bzw. Methoden auf Produkte aus sogenannten »no-market economies« – also sogenannten »Nicht-Marktwirtschaften«.
Hier liegt der Knackpunkt. Am 11. Dezember 2001 ist die Volksrepublik China im erlauchten Kreis der WTO aufgenommen worden. Um Mitglied zu werden, mussten mindestens zwei Drittel aller Mitglieder ihre Zustimmung geben. Nachdem diese erreicht wurde, gab es immer wieder eine Vielzahl von Klagen gegen das neue Mitglied – vor allem wegen Preis-Dumping. Ein Siebtel aller Anti-Dumping-Klagen sind laut WTO auf China zurück zu führen. Fast alle Klagen stammen dabei von internationalen Wettbewerbern, die sich durch die niedrigen Preise ernsthafter Gefahr ausgesetzt sehen.
2001 wurde aber auch per Vertrag (Artikel 15) beschlossen, dass das neue WTO-Mitglied nach dem Beitritt eine 15 Jahre dauernde Übergangsperiode durchlaufen muss, bevor man das Reich der Mitte handelspolitisch als Marktwirtschaft einstuft.
Das ist deshalb von Bedeutung, weil die bisherige Einstufung Chinas als »Nicht-Marktwirtschaft« einen Status schafft, der es unter anderen der EU erlaubt, chinesische Importgüter mit Antidumping-Schutzzöllen zu belegen. Schließlich findet – so ist es aus Brüssel zu hören – »in einem Land ohne Marktwirtschaft keine Preisbildung nach den Gesetzen des Marktes statt, weshalb Waren weit unter Weltmarktpreis auf eben jenem Weltmarkt landen und den Wettbewerb verzerren können.«
Fakt ist: Die 15-jährige Übergangsperiode ist am 11. Dezember 2016 ausgelaufen. Deshalb pocht China jetzt auf die Anerkennung als Marktwirtschaft. Somit will sie die bestehenden Anti-Dumping-Strafzölle der EU endlich aushobeln. Gerade der lang laufende EU-Strafzoll auf die für das Land der Mitte so prestigeträchtigen Produktgruppe Fahrrad ist den Chinesen ein Dorn im Auge. Aktuell soll es übrigens an die 50 in China produzierten Produktgruppen geben, die mit einem EU-Strafzoll belegt werden.
Die EU hatte indes eine Studie in Auftrag gegeben. Grund: Laut Brüssel würde die Aufhebung der bestehenden Schutzzölle in eine Zeit fallen, »in der die chinesischen Exporteure besonders aggressiv auf den europäischen Markt drängen.« So wurden beispielsweise erst vor etwa drei Jahren Zölle auf Solarpanelen erhoben. Und im Stahlsektor soll Peking einen Teil seiner Überkapazitäten in Großbritannien abgeladen haben. Durch die Verdoppelung der Importmenge seien innerhalb eines Jahres mehrere Unternehmen in den Ruin getrieben hat. Mit Wegfall des bestehenden EU-Strafzolls auf Kompletträder aus China befürchtet die EU eine einsetzende Importflut, die den bestehenden EU-Produzenten innerhalb kürzester Zeit ebenfalls den Garaus machen würde.
Nun versucht die EU mit allen Mitteln, die laufenden Strafzölle nach Ablauf der WTO-Vertragsklausel (die China nach nun abgelaufener Übergangsphase als Marktwirtschaft anerkennt) irgendwie durchzusetzen. Dabei wird unter anderem an einen gleichwertigen Ersatz für die Antidumping-Zölle nachgedacht.
Dem wollen die Chinesen vorbeugen. Schon im Vorfeld hatte die Volksrepublik China gegenüber Brüssel klar gemacht, dass sie die europäische Gemeinschaft bei Nicht-Einhaltung vor der WTO verklagen würde.
Wie auch immer das Ergebnis ausfallen wird: Es wird auch darüber entscheiden, ob der laufende und bis 2018 gültige EU-Strafzoll in Höhe von 48,5 Prozent auf importierte Komplettfahrräder aus dem Ursprungsland China noch einmal und wie auch immer (als Strafzoll oder über einen »gleichwertigen Ersatz«) in eine weitere Fünfjahres-Runde geschickt wird oder nicht.
In dieser Entscheidung enthalten: Die Frage, ob es auch künftig noch eine Chance für die noch bestehende EU-Fahrradproduktion gibt oder nicht.

Text: Jo Beckendorff

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