Laut Youngone wurde eine erste Tranche seiner Scott-Finanzspritze in Höhe von 100 Millionen SFR Anfang des Jahres überwiesen. Die restlichen 50 Millionen SFR sollten im April in Abhängigkeit von den Bedingungen des Kreditnehmers folgen. Zweck des Darlehens sei die Sicherung zusätzlicher Liquidität.
Dazu hieß es dann aber auch noch bei Youngone: »Scott Sports plant, diesen Barkredit als Betriebskapital zu verwenden. Um den gesamten Prozess zu verwalten und zu überwachen, wird eine von der Youngone Corporation benannte Person als Finanzkontrolleur eingesetzt.«
Zum Schluss der Mitteilung erinnerten die börsennotierten Koreaner auch noch einmal daran, dass sie bei der Internationalen Handelskammer (ICC) ein Schiedsverfahren gegen Beat Zaugg, »den Gründer, CEO und zweitgrößten Aktionär der Scott Corporation SA«, eingeleitet hätten. In der wollen sie eigenen Angaben zufolge »eine wesentliche Verletzung der Aktionärsvereinbarung durch Beat Zaugg« geltend machen.
Vom schiefen Haussegen zum offenen Machtkampf?
Somit war schon abzusehen, dass der Haussegen schief hängt. Mit der »Oster-Meldung« von Youngone, mit dem Finanz-Fachmann und Branchen-Newcomer Juwon Kim einen neuen Interim-CEO einzusetzen (und dem mit Steve Meinecke und Mathias Seidler zwei Branchenkenner beratend zur Seite zu stellen), ging es los. Mit diesem Schritt hat Youngone auch den bisherige Scott-CEO Beat Zaugg eigenen Angaben mit sofortiger Wirkung freigestellt. Damit ist nun auch ein Machtkampf um die Führung des Bike- und Outdoor-Anbieters eingeläutet.
»Ich bin Chairman von Scott Corporation sowie CEO von Scott Corporation und Scott Sports«
Der 66-jährige (und nicht wie in der Youngone-Mitteilung genannt 68-jährige) Beat Zaugg meldete sich beim RadMarkt mit dem Hinweis, dass er erstens weiterhin Chairman von Scott Corporation sowie CEO von Scott Corporation und Scott Sports sei. Zudem halte er nach wie vor einen Minderheitsanteil von 47 Prozent an dem von ihm gegründeten Unternehmen in seinen Händen: »Die finanzielle Unterstützung von Youngone basiert auf der Tatsache, dass – wie jeder weiß – die Lager bei Konsumgütern allgemein angespannt sind.«
Und Branchenberater hin, Branchenberater her – der von Youngone benannte Nachfolger Juwon Kim habe keinerlei Vorstellung vom europäischen Fahrrad- und Outdoor-Markt.
Zusätzliche Geschäfts-Belastung
Die jetzt veröffentliche Meldung würde auch die Zusammenarbeit des eingespielten Scott-Teams mit dem europäischen Fachhandel belasten. Dass die ausgerechnet aus der Presse von dem Entscheid der koreanischen Mutter erfuhren, sei auch etwas, das »für die Werte von Scott sowie unseren europäischen Vorstellungen von Management nicht gerade förderlich« sei.
Schon am Oster-Wochenende seien die Telefone des Scott-Teams heiß gelaufen. So würde nun eine zusätzliche Unruhe in den Markt gebracht, auf die man in der aktuell ohnehin angespannten wirtschaftlichen Situation des globalen Fahrrad-Branche gerne verzichtet hätte.
Dem Scott-Team wäre es durchaus lieber gewesen, wenn Mehrheitseigener Youngone ihnen in der aktuellen Lage wie bisher auch das Vertrauen ausgesprochen und sie mit ihren langjährigen Erfahrungen und eingespielten Fachhandels-Partnerschaften hätte machen lassen. Zaugg bedauert den von Youngone über die Köpfe des Scott-Teams hinweg veröffentlichen Entscheid.
Text: Jo Beckendorff