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Ernst Brust informiert: Checkliste Unfallaufnahme bei Fahrrad-/Pedelec-Unfällen
Was die Aufnahme und Erfassung eines Unfalls von Kraftfaheugn betrifft, existieren laut dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständiger für Mikromobilität Ernst Brust klare Vorgaben: Unfallzeitpunkt, Unfallort, Beteiligte, Unfallsituation, Wetterumstände, mögliche Zeugen, Unfallspuren und Schäden etc. gehören erfasst und dokumentiert.
Ernst Brust.Foto: Jo Beckendorff

Klare Vorgehensweisen bei Fahrrad- und Pedelec-Unfällen werden aus Sicht eines Fahrradsachverständigen allerdings vermisst. Wesentliche Einzelheiten, die für eine spätere gutachterliche Untersuchung und Klärung der möglichen Unfallursache von Bedeutung sein können, fehlen häufig. Fahrräder werden nur allzu schnell beiseite geräumt, dabei Schadenspuren verändert oder gar zerstört. Die Unfallsituation ist damit nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. Oft wird einfach nur vermerkt, dass ein Radfahrer zu Sturz kam.
Reicht das? Was ist zum Beispiel, wenn ein Alleinunfall durch äußere Fahrbahn-Einflüsse entstanden ist? Spielten vielleicht – Stichwort Kontrollverlust – die gefahrene Geschwindigkeit und/oder ein mögliches Flattern des Fahrrades als Folge seiner Geometrie und Lastverteilung eine Rolle? Diese und weitere entscheidende Fragen können laut Brust nur dann hinreichend genau beantwortet werden, wenn eine klare Erfassung – auch Aussagen der Beteiligten oder Zeugen – mit bildlicher Dokumentation der Unfallsituation erfolgt ist.
Ein ganz besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Prüfung eines Pedelecs auf mögliches Tuning gelegt werden. Durch Tuning-Änderungen an der Motorunterstützung kann die Maximalgeschwindigkeit oder Motorleistung unzulässig erhöht werden -»was zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko führt und die Haftung beeinflussen kann«.
Weil es bis dato keine klaren Vorgehensweisen bei Fahrrad- und Pedelec-Unfällen gibt, hat Ernst Brust eine Liste als Orientierungshilfe zusammengestellt.
Zunächst sollte – soweit noch nicht geschehen – die Absicherung des Unfallortes und das Leisten von Erster Hilfe erfolgen. Sodann folgt die detaillierte Erfassung der relevanten Daten:

Allgemeine Umstände:

  • Datum / Uhrzeit erfassen
  • Wetter und Temperatur notieren
  • Sichtverhältnisse: Gut / Schlecht
  • Fahrbahnzustand: Trocken / Nass
  • Fahrbahnbelag: Teer / Pflaster / Sonstiges
  • Hindernisse notieren:
    1. Schlaglöcher
    2. Querrillen
    3. Kanaldeckel
    4. Randstein
    5. Sonstiges:
    – Kurve? Ja / Nein, ggfs. Links / Rechts
    – In Fahrtrichtung: Eben / Steigung / Gefälle
    – Bremsspuren vom Fahrrad sichtbar? Ja / Nein
    – Fotos von den genannten Punkten aufnehmen

Fahrer und Positionen:
• Fahrer erfassen:
1. Geschlecht: Männlich / Weiblich
2. Alter notieren
3. Gewicht notieren
4. Kleidung notieren
5. Helm: Ja / Nein
• Lage, Positionen zueinander, Abstände zwischen Fahrer und Fahrrad erfassen
• Unfallhergang dokumentieren:
1. Alleinfahrer oder Gruppe
2. Angaben des Radfahrers
3. Zeugenaussagen (Name, Adresse)
• Fotos von Fahrer und Positionen aufnehmen

Pedelec – Zustand und Unfallspuren:
Pedelec im unveränderten Zustand erfassen
• Pedelec-Art notieren: Pedelec 25 / Pedelec 45
• Fahrradtyp erfassen: City / Trekking / MTB / Rennrad / Sondergattung, gefedert oder ungefedert
• Fahrradhersteller: Name, Modell notieren
• Sichtbare Schäden erfassen:
1. Brüche oder Verformungen: Rahmen, Gabel, Lenker, Sattelstütze
2. Schürfspuren (Pedelec und Straße)
3. Gelöste Pedelec-Teile (Umfeld absuchen)
•  Ausstattung gemäß StVZO überprüfen:
1.Aktive und passive Beleuchtung?
2. Zwei unabhängige Bremsen?
3. Pedelec lenkfähig?
4. Fahrradglocke?
• Überprüfen, ob das Pedelec getunt ist:
1. Maximalgeschwindigkeit oder Motorleistung über gesetzlicher Grenze?
2. Softwaremodifikationen am Motor oder anderen Komponenten?
3. Manipulierte Geschwindigkeitssensoren oder Displays?
4. Hinweise auf unerlaubte Tuning-Kits oder veränderte Hardware?
• Fotos von Pedelec und Schäden aufnehmen

Erstuntersuchung des Pedelecs:
Tacho vorhanden: falls möglich, km-Leistung und Geschwindigkeit ablesen
• Fahrradtauglichkeit überprüfen:
1. Bremsen funktionsfähig?
2. Art der Pedale und Schuhe des Fahrers (Griffigkeit)?
3. Laufräder drehbar (Seitenschlag prüfen)?
4. Reifen platt?
5. Beladung notieren: Art, Ort, Gewicht, Verteilung
• Pedelec für mögliche Untersuchung sicherstellen

Dokumentation:
Fakten notieren
• Fotos aufnehmen: Unfallort, Pedelec, Schäden, Positionen, Umgebung • Maße aufnehmen und notieren

Diese Checkliste von Ernst Brust soll seinen Angaben zufolge »eine umfassende und detaillierte Dokumentation der relevanten Aspekte eines Pedelec-Unfalls sicherstellen, mit besonderem Fokus auf die Prüfung eines möglichen Tunings.«

Text: Jo Beckendorff/Ernst Brust

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