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Kurzer Hafenarbeiter-Warnstreik trifft auf Containerschiff-Stau
Charter vessel Maersk Denver

Zu dem Containerschiff-Stau, der sich zeitlich versetzt von China Richtung Europa verlagert hat und die Häfen von Belgien, Deutschland und der Niederlande »Land unter« melden lässt, legte letzte Woche Donnerstag (9. Juni) in Deutschland auch noch ein temporärer Hafenarbeiter-Warnstreik die Abfertigung der Schiffe komplett lahm. Somit ist mit weiteren Verspätungen zu rechnen.

Erstmals stauen sich nun auch Fracht- und Containerschiffe in der Nordsee. Laut dem vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) erhobenen Kiel Trade Indicator stecken vor den Häfen Belgiens, Deutschlands und der Niederlande momentan knapp zwei Prozent der globalen Frachtkapazität fest.
Alleine in der deutschen Bucht warten momentan etwa ein Dutzend große Containerschiffe mit einer Kapazität von insgesamt etwa 150.000 Standardcontainern auf das Anlaufen in Hamburg oder Bremerhaven. Auf dem Livetracker MarineTraffic.com lässt sich die angespannte Lage auf See gut erkennen (siehe unten stehende Graphik 1). Vor den Häfen Rotterdam und Antwerpen sei die Lage allerdings noch dramatischer.
Laut der deutsche Online-Plattform für Statistik Statista lag schon im April der Anteil der Gütermenge, die sich auf wartenden Containerschiffen befindet, bei knapp 11,6 Prozent. Damals stauten sich die Schiffe aufgrund eines harten Corona-Lockdowns in China vor dem Häfen von Schanghai. Dieser Stau erreicht nun zeitversetzt Europa.
Terminalbetreiber empört
Was den Warnstreik der Hafenarbeiter in Deutschland betrifft, äußern sich die Terminalbetreiber empört. »Angesichts des bestehenden, vorbildlichen Tarifvertragswerks, aber insbesondere angesichts der aktuellen Probleme in den Lieferketten und des ersten, guten Arbeitgeberangebotes sind aus Sicht des ZDS die Arbeitskampf-Maßnahmen völlig unverhältnismäßig«, heißt es dazu aus der Hamburger Headquarter des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe e.V. (ZDS).
»Wir befinden uns mitten in einer absoluten Ausnahmesituation. Die weltweiten Lieferketten sind stark gestört. Von der einen Seite kommt eine große Welle verspäteter Schiffe auf uns zu, auf der anderen Seite gibt es große Engpässe im Güterverkehr der Bahn«, erklärt die ZDS-Verhandlungsführerin Ulrike Riedel, »jetzt zu Warnstreiks aufzurufen ist absolut verantwortungslos. Es wird auch den aktuellen Tarifverhandlungen in keiner Weise gerecht. Wir haben in den deutschen Seehafenbetrieben ein vergleichsweise hohes Lohnniveau. In der letzten Verhandlungsrunde haben bei der aktuell herausfordernden Inflationsrate ein Angebot gemacht, das die Verluste unserer Beschäftigten bei den Reallöhnen auffängt. Dieses Angebot steht im Einklang mit vielen anderen aktuellen Verdi-Tarifabschlüssen. Dass nun im gegenwärtigen Krisenrahmen zu Streiks ausgerufen wird, ist völlig inakzeptabel. Wir rufen die Verdi-Bundestarifkommission dazu auf, auf Streiks zu verzichten und auf Grundlage unseres guten ersten Angebots zu verhandeln.«
Verdi spricht von Belastungsgrenzen und Inflationsausgleich
Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hatte hingegen vor der dritten Verhandlungsrunde mit den Deutschen Seehafenbetrieben am 9. Juni mehrstündige Arbeitsniederlegungen während der Spätschicht in Hamburg, Emden, Bremen, Bremerhaven und Wilhelmshaven« angekündigt. Somit kam es bei der Abfertigung von Schiffen an Deutschlands großen Seehäfen erstmals seit Jahrzehnten aufgrund eines Hafenarbeiter-Warnstreiks zum temporären Stillstand. Selbst wenn es nur Stunden waren – er bringt das derzeit fragile Gebilde noch mehr ins Wanken.
Verdi-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth begründete den Warnstreik mit dem bislang unzureichend vorgelegten und der aktuellen Lage nicht gerechtfertigten Angebot für die rund 12.000 Beschäftigten: »Die Kolleginnen und Kollegen im Hafen sind sauer. Die wollen ein vernünftiges Angebot.« Schließlich hätten sie während der Pandemie extreme Flexibilität an den Tag gelegt und viel Mehrarbeit geleistet: »Sie sind an Belastungsgrenzen gegangen und bisweilen auch deutlich darüber hinaus. Sie haben mit ihrer eigenen Hände Arbeit den Laden am Laufen gehalten.« Abgesehen vom Automobilbereich seien die Umschlagsmengen in fast allen Bereichen sogar gesteigert worden. Etwaige Neueinstellungen habe es auch nicht gegeben.
Deshalb fordert Verdi im Namen aller Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen Seehafenbetrieben in Hamburg, Niedersachsen und Bremen einen »tatsächlichen Inflationsausgleich« sowie eine Anhebung der Stundenlöhne um 1,20 Euro. Die Arbeitgeber bieten bisher eine Lohnerhöhung in zwei Schritten um 3,2 Prozent in diesem und 2,8 Prozent im kommenden Jahr sowie eine Einmalzahlung in Höhe von 600 Euro an.

Text: Jo Beckendorff, Foto: MCI, Graphiken: 1x MarineTraffic.com, 1x Kiel Trade Indicator

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