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Varta-Sanierungsverfahren via StaRUG lässt Kleinaktionäre alt aussehen
Nach Automobil-Zulieferer Leoni AG ist Batteriehersteller Varta AG das zweite traditionelle deutsche Großunternehmen, bei dem mit Hilfe des StaRUG-Verfahrens eine insolvenzvermeidende Sanierung vor der Zahlungsunfähigkeit greifen soll. Und wie bei der börsennotierten Leoni AG ist bei Varta AG ein österreichischer Milliardär und Mehrheitseigner am Drücker, der das Unternehmen per radikalem Schuldenschnitt retten will.
Für Kleinaktionäre dumm gelaufen: die von ihnen gehaltene Minderheit von 49,9 Prozent an der Varta AG soll bei einer insolvenzvermeidenden Sanierung via StaRUG-Verfahren mittels Bezugsrechtsausschluss komplett außen vorgelassen werden. Ihre Einlage wird also nicht nur per Kapitalschnitt auf Null gesetzt. Ihnen wird auch die Chance verwehrt, sich an einer Sanierung zu beteiligen und damit ihren Verlust eventuell auch einmal wieder auszugleichen.Foto: Varta AG

Letztens berichtet der RadMarkt darüber, wie der über sein Tochterunternehmen Pierer New Mobility AG auch im E-Bike-Sektor mitmischende Milliardär und einstige Leoni-Mehrheitseigner Stefan Pierer die Karte StaRUG zog. Dabei kam das am 1.1.2021 in Kraft getretene deutsche Stabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) erstmals zum Einsatz. StaRUG war von der Bundesregierung eigens für eine Unternehmenssanierung ohne Insolvenz aus der Taufe gehoben worden.
Zur Rettung eines angeschlagenen Unternehmens sieht dieses einen klaren Schuldenschnitt als einzigen Ausweg. Während freie Leoni-Aktionäre komplett leer ausgingen, investierte Mehrheitseigner Stefan Pierer und stellte somit die finanzielle Stabilität des Unternehmens wieder her. Nachdem er nun als Leoni-Alleineigentümer eine Mehrheit an den chinesischen Elektronik-Riesen Luxshare Precision Industry Co., Ltd. (alias Luxshare ICT alias Luxshare-Gruppe) veräußerte, hinterließ dieser Deal nicht nur bei den leer ausgehenden freien Aktionären ein »Geschmäckle«. Sie vermuten, dass sich Pierer mit dem mehrheitlichen Verkauf an die Chinesen eine goldene Nase verdient hat. Wirtschaftsweise kritisieren den Deal, weil er ihrer Meinung nach auch eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland darstellt.
Erst Leoni, jetzt Varta
Dasselbe scheint nun auch dem Leoni-Landsmann Varta bevorzustehen. Laut früheren Aussagen von Varta-CEO Michael Ostermann kann sein Unternehmen nur noch mit einem Schuldenschnitt plus nachfolgender Finanzspritze von rund 100 Millionen Euro überleben.
Nachdem der geplante Höhenflug im Sektor E-Mobilität (der die Ellwanger in der Vergangenheit auch als Austeller auf diversen internationalen Fahrrad- und Mobilitäts-Messen in Erscheinung treten ließ) aus welchen Gründen auch immer platzte, soll der Anbieter jetzt via StaRUG vor dem Aus gerettet werden. Das StaRUG-Verfahren würde Varta nicht nur wesentlich entschulden, sondern auch mit frischer Liquidität versorgen.
Hier kommt Pierer-Landsmann, Milliardär und Varta-Hauptaktionär Prof. DDr. Michael Tojner ins Spiel. Wie Pierer will er nach einem Kapitalschnitt auf Null frisches Geld in das Unternehmen pumpen. Anders als sein Landsmann will er allerdings nicht alleine, sondern nach Kapitalschnitt zusammen mit Autobauer Porsche in die Varta-Rettung investieren.
Kleinaktionäre zahlen die Zeche
Während rund 200.000 freie Varta-Aktionäre (die einen Anteil von 49,9 Prozent an Varta halten) komplett leer ausgehen sollen, bleibt der für den Unternehmensabsturz mitverantwortliche Varta-Großaktionär (hält 50,1 Prozent an Varta in seinen Händen) und -Aufsichtsratsvorsitzende Tojner an Bord.
Anders ausgedrückt: wie Stefan Pierer bei Leoni AG wird Michael Tojner bei Varta AG der einzige Aktionär sein, dem nach der »Enteignung« die Chance eingeräumt wird, seinen Verlust irgendwann auch wieder einmal auszugleichen – bzw. von einer Sanierung nach der Rettung auch langfristig monetär zu profitieren.
Pferdefuß »Bezugsrechtsausschluss«
Die Sache ist vertrackt – rechtlich gesehen ist es bei einem StaRUG-Verfahren kein Automatismus, freie Aktionäre komplett außen vorzulassen. Sie könnten auch an der Rettung beteiligt werden. Das ist allerdings nicht im Interesse der Großaktionäre. Sie wollen nach der Rettung keine langen Reden, sondern freie Hand. Ohne Kapitalherabsetzung und nachfolgender Investition unter Ausschluss des Bezugsrechts freier Kleinaktionäre hätten die Varta-Gläubiger einem Schuldenschnitt nicht zugestimmt, heißt es aus der Varta-Zentrale in Ellwangen.
Geldsegen erst nach Schuldenschnitt
Laut vorläufiger Zahlen weist der Batterieproduzent zum 30.6. 2024 Schulden in Höhe von 988,8 Millionen Euro auf. Während Michael Tojner mit seiner Schweizer Beteiligungsholding Montana Tech Components AG nach dem Schuldenschnitt 30 Millionen Euro in Varta investieren will (10 Millionen Euro in bar und 20 Millionen Euro in Form einer Immobilie bzw. eines von Varta genutzten Betriebsgrundstücks), soll Porsche mit der gleichen Gesamtsumme neu bei Varta einsteigen. Von den Gläubigern würden weitere 60 Millionen Euro als vorrangig besicherte Darlehen kommen.
Läuft alles wie geplant, soll das Sanierungskonzept die Finanzierung der Varta AG bis zum Ende des Jahres 2027 sicherstellen – alles auf Kosten der Kleinaktionäre, die zum Zeitpunkt dieses Schreibens dagegen Sturm laufen. Interessenvertreter wie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) verweisen bereits darauf, dass sie bei Nicht-Einbeziehung der freien Aktionäre »alle rechtlichen Mittel, die die deutsche Rechtsordnung vorsieht, ausschöpfen und zeitnah Gegenmaßnahmen einleiten, die die Insolvenzgefahr für die Varta AG deutlich steigen lassen. Damit besteht die Gefahr eines weiteren Ausverkaufs deutscher Technologie und des Wegfalls vieler Arbeitsplätze, wie wir es ganz aktuell im Fall Leoni gesehen haben«.

Text: Jo Beckendorff

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